Dr. Siri sieht Gespenster - Cotterill, C: Dr. Siri sieht Gespenster - Thirty-Three Teeth
um eine Militärmaschine. Die Piloten hatten mit ihrer Aktion vermutlich möglichst wenig Aufsehen erregen wollen. Auf das Sperrfeuer, mit dem man sie in Empfang genommen hatte, waren sie jedenfalls nicht vorbereitet gewesen, und sie hatten ihm auch nichts entgegensetzen können. Aus irgendeinem Grund hatte sie das Militär erwartet.
Nach getaner Arbeit ging er zu den Schatzsuchern zurück. Der Elefant war angeschirrt, und ein Mahut saß ihm
im Nacken. Der andere stand hinter dem Tier und stieß ihm immer wieder einen langen spitzen Stock ins Hinterteil. Die Kettenglieder ächzten, und das Knirschen des vierhundert Jahre alten Mauerwerks zerriss die Stille des Tempels. Doch weder der Elefant noch die Stupa rührten sich auch nur einen Millimeter von der Stelle. Es war ein klingendes Tableau.
Siri trat hinter den Beamten im weißen Hemd.
»Sie haben sie vermutlich schon bemerkt...«
»Was denn, Genosse?«
»Die Schleifspur, die der Helikopter hinterlassen hat.«
Wieder ächzte die Kette. »Ja?«
»Also, wenn ich davon ausgehend die Flugbahn rekonstruiere – und wie es scheint, hatte der Hubschrauber ein recht ordentliches Tempo drauf, bevor er zum Stillstand kam -, ist es mir, offen gesagt, ein Rätsel, wie er Ihre Stupa gestreift haben soll.«
Die Freundlichkeit des Mannes war wie weggeblasen. »Das ist das offizielle Ermittlungsergebnis aus dem offiziellen Untersuchungsbericht der Bezirksregierung von Luang Prabang. Dort kennt man sich mit solchen Dingen sehr viel besser aus als Sie oder ich. Oder glauben Sie, es handelt sich um einen Zufall? Was sonst sollte den Schaden verursacht haben?«
»Ich bin zwar kein Ballistikexperte, aber das Loch in der Stupa... das ist, wohlgemerkt, bloße Vermutung, aber wenn es, sagen wir, dort oben am Fuß des Phousi-Hügels eine Geschützstellung gäbe, und wenn diese den Hubschrauber mit Mörsergranaten beschossen hätte, als er sich bereits im Sinkflug befand, dann könnte das durchaus zu Schäden dieser Größenordnung geführt haben.«
»Sie wollen doch nicht etwa andeuten«, sagte der Mann
entrüstet, »dass einer unserer eigenen Leute für die Zerstörung dieser historischen Stätte verantwortlich sein könnte?«
Der Mann war alles andere als eine verwandte Seele. Siri drehte lächelnd den Kopf. »Der Elefant sieht aber gar nicht gut aus.«
Plötzlich machte das edle Tier einen Rückwärtsschritt und zertrümmerte die meisten Knochen im Fuß des Mannes mit dem Stock. Dann schwankte es leicht, wie ein Heißluftballon bei Thermik, und sank auf die Vorderknie. Trotz des gotteslästerlichen Gebrülls des hinteren Mahuts gelang ihm ein würdevoller Tod. Erst sah es sich nach einem möglichst bequemen Landeplatz um; dann kippte es, wie es sich für einen braven sozialistischen Sklaven gehörte, nach links.
Der Boden unter Siris Füßen bebte, als der Elefant mit lautem Krachen aufschlug. Der Mahut in seinem Nacken sprang ab und kam seinem schreienden Freund zu Hilfe. Ohne einen Gedanken an das sterbende Tier zu verschwenden, bot er sich seinem Kollegen als Krücke an und führte ihn zum Tor.
Siri trat zu dem flach atmenden Elefanten und ging neben dem Kopf des Tieres auf die Knie. Die Mahuts im Dschungel hatten tagelang getrauert, wenn sie ein so stolzes Exemplar verloren hatten. Doch Städte und geldgierige Geschäftemacher machten diese Bande nach und nach kaputt. Sie wechselten die Elefanten wie andere einen platten Reifen. Dieses Tier verdiente Besseres: Es verdiente Respekt.
Er legte die flache Hand neben das trübe Auge des Tieres und flüsterte Beschwörungsformeln, die sich ihm schon als Novize eingeprägt hatten. Die Wachleute sahen ihm verwundert zu.
»Was macht der denn da?«
»Wie es aussieht, erteilt er ihm die Sterbesakramente.«
»Der hat sie nicht mehr alle.«
Doch Siri machte so lange weiter, bis er sein Spiegelbild in der milchigen Iris nicht mehr sehen konnte. Das Auge war blind. Der Elefant war tot. Und in diesem Moment ging ein Stoß, wie nach einer massiven Überdosis vietnamesischen Kaffees, durch Siris Körper. Ihm blieb die Luft weg, und das Herz hämmerte wie wild in seiner Brust. Er wusste sofort, dass der Geist des alten Dickhäuters durch ihn hindurchgegangen war. Selbst nachdem sich sein Puls beruhigt hatte, spürte er, dass er nicht mehr der Alte war.
Das Geräusch bröckelnden Mauerwerks riss ihn aus seinen Gedanken. Das Tauziehen des Elefanten hatte seine Wirkung nicht verfehlt. Alter Naturmörtel wurde zu Staub, und die
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