Dr. Siri sieht Gespenster - Cotterill, C: Dr. Siri sieht Gespenster - Thirty-Three Teeth
Kakerlaken und harrten ihres Schicksals. Doch das Blatt wendete sich schon bald zu ihren Gunsten. Die neue Regierung machte es sich zum
Prinzip, den Armen und Schwachen zu helfen. Obwohl das Geld zusehends knapper wurde und nach zwei Abwertungen praktisch nutzlos war, konnte Dtui sich mit ausreichend Reis und Lebensmittelkonserven eindecken.
Daran hatte sich nichts geändert. Manoluk hatte gute und schlechte Tage. Meistens lag sie einfach da und las. Wie der geheimnisvolle Mönch vorausgesagt hatte, ging es ihr dieses Jahr ein wenig besser. Ihre Zirrhose wurde zwar nicht schlimmer, aber sie brauchte nach wie vor Medikamente, die in Laos nicht erhältlich waren. Wenn Dtui das Ostblockstipendium bekäme, könnte sie billig leben und ihrer Mutter das gesamte Kostgeld zukommen lassen. Es war doppelt so viel, wie sie jetzt verdiente. Das taten viele Mädchen.
Zwar träumte sie immer noch davon, eines Tages einen reichen Mann zu finden, der sie heiraten und ihrem Leid ein Ende machen würde, doch obwohl der Herrgott sie mit Intelligenz und einem großen Herzen gesegnet hatte, war sie dazu weder schlank noch schön genug, und so lag ihrer beider Zukunft ganz allein in Dtuis Hand.
Sie saß im schwachen Schein der Schreibtischlampe und starrte auf die Abgüsse, die sie vor sich ausgebreitet hatte. Sie trug ihre chinesischen Latzhosen und war von Kopf bis Fuß mit rotem Staub bedeckt. Man hatte sie in den Klinikgarten abkommandiert, um der betonharten Erde so viele gaaw- Rüben wie möglich zu entreißen. Die wenigen Exemplare, die nicht der Hitze zum Opfer gefallen waren, hatten sich in ungenießbare Fossilien verwandelt.
Eigentlich hatte sie sofort nach Hause gehen wollen, um nach Manoluk zu sehen, aber dieser Fall faszinierte sie über alle Maßen. Sie hatte Lehrerin Chanmees Bisswunden mit Agar-Agar ausgegossen und verglich sie mit den Abdrücken
der anderen Leiche. Keine Frage: Was auch immer die Lehrerin zerfleischt hatte, es hatte seine Hauer auch in Tante Sees Kehle geschlagen.
Obwohl die Eingangstür offen stand, klopfte jemand von außen gegen den Rahmen. Sie rief: »Wer ist da?«
»Civilai.«
»Immer herein, Genosse.«
Civilai durchquerte den dunklen Vorraum und betrat das Büro.
»Hallo, Dtui. Ist Siri nicht da?«
»Er ist noch nicht wieder zurück.«
»Ja ja, die süßen Mädchen von Luang Prabang.«
»Er hat uns heute Nachmittag eine Nachricht zukommen lassen. Er wartet immer noch auf einen Flug. Es gibt da offenbar ein Problem mit seinen Papieren.«
»Ach was.«
»Die Behörden verweigern ihm einen Passierschein für die Ausreise aus Luang Prabang, weil er schon für den Hinflug keinen hatte. Von Rechts wegen dürfte er also eigentlich gar nicht dort sein.«
»Lächerlich. Die Sache war rein dienstlich.«
»Schon, aber der Doc ist anscheinend nicht rechtzeitig zurückgekommen und hat seinen Hubschrauber verpasst. Außerdem scheint er den Bezirksgouverneur verärgert zu haben.«
»Dass er sich auf seine alten Tage aber auch immer wieder in die Nesseln setzen muss. Wenn er nicht der staatliche Leichenbeschauer wäre, säße er todsicher im Gefängnis.«
Dtui sog Luft durch die zusammengebissenen Zähne.
»Was ist?«
»Er muss vielleicht trotzdem ins Gefängnis.«
Civilai schüttelte den Kopf und setzte sich an den Schreibtisch
des Doktors. »Was hat der alte Hund denn nun schon wieder angestellt?«
»Ich habe keine Ahnung, Onkel. Aber zwei uniformierte Polizisten waren schon zweimal hier und haben nach ihm gefragt. Es liegt angeblich ein Haftbefehl gegen ihn vor.«
»Was soll er denn ausgefressen haben?«
»Das wollten sie mir nicht verraten.«
»Ich setze Phosy auf die Sache an. Wir können ja wohl schlecht unseren einzigen Forensiker verhaften lassen. Und was seinen Passierschein angeht, will ich sehen, was sich machen lässt.«
»Danke, Genosse.«
Er sah sich im Büro um. »Heiß heute, was?«
»Verdammt heiß.«
»Was haben Sie denn da?«
»Zahnabdrücke.«
»Aha.«
Er stellte seinen Stuhl vor ihren Schreibtisch und betrachtete die klaren grauen Abgüsse. Er stieß einen Finger hinein.
»Das sieht aus wie...«
»Ist es auch.«
»Raffiniert. War das Ihre Idee?«
»Fast. Siri ist mir knapp zuvorgekommen. Heute kam ein zweiter Fall mit Bissspuren herein, die denen der alten Dame aufs Haar gleichen. Wir glauben, es war ein Bär.«
»In Vientiane?«
»Aus dem Garten des Lane Xang ist einer entwischt.«
»Dieser alte Bettvorleger? Der war doch halbtot. Hat aber mit
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