Dr. Siri sieht Gespenster - Cotterill, C: Dr. Siri sieht Gespenster - Thirty-Three Teeth
geliefert, Hoheit. Wir wurden erwartet. In Euren Reihen gibt es einen Verräter.«
Bei diesen Worten ging der Lakai buchstäblich in die Luft, und seine Einzelteile flogen nach allen Seiten. Siri sah sich um, suchte nach Augen, die ihn mit vorwurfsvollen Blicken durchbohrten. Doch da waren keine Augen. Und als er sich wieder umdrehte, war auch der König verschwunden. Dort, wo er eben noch gesessen hatte, befand sich nun ein Teller knusprig gebratener Grillen nebst einem leckeren Dip.
Die Piloten standen Rücken an Rücken, als wollten sie jeden Augenblick zum Angriff übergehen. Die furchtsamen Geister zogen sich in ihre Bäume zurück, wurden eins mit Rinde, Zweigen, Wurzeln. Ein Wind kam auf und strich durch die Blätter. Er nahm immer weiter zu, bis er die saftigen Früchte von den Bäumen schüttelte.
Zurück blieben Siri und die beiden Piloten in einer von Sturmwolken verdunkelten Umgebung. Einer der Piloten wandte sich an ihn und sagte: »Wir danken Ihnen.«
Damit gingen die beiden Männer in Flammen auf, verbrannten zu Asche und wurden vom reißenden Wind davongeweht. Die Blätter an den Bäumen ringsum flatterten in panischer Angst, als befänden sie sich in den Klauen eines gewaltigen Monsuns. Allein auf weiter Flur, lauschte Siri dem fernen Donnergrollen, dem Grollen einer wilden Bestie, dem Knurren des Grauens. Nach Süden hin neigten sich die Bäume, als wollten sie Spalier stehen für die Kreatur, zu der dieses schreckliche Knurren gehörte. Der Himmel war jetzt schwarz, und Siri rüstete sich für den Sturm.
Allmählich lernte er, in seinen Träumen als bloßer Beobachter aufzutreten. Anfangs hatte er sich verpflichtet gefühlt, aktiv an ihnen teilzunehmen; er hatte die ihm zugewiesene Rolle gespielt und sich die entsprechenden Empfindungen zu eigen gemacht. Inzwischen schaute er sie sich an, als säße er allein in der ersten Reihe eines leeren Kinos. Er redete sich ein, dass der Schurke ihn nicht umbringen und die Heldin ihn niemals wirklich lieben würde.
Doch das Getöse, mit dem die unsichtbare Kreatur sich ihren Weg durchs Dickicht bahnte, diente ihm als Warnung. Es klang einfach zu echt, um nur geträumt zu sein. Es sagte ihm, dass er dieses Geräusch früher oder später auch im Wachzustand vernehmen würde, in einem Moment größter Gefahr. Aus irgendeinem Grunde wusste er, dass er sich vor diesem Geräusch würde in Acht nehmen müssen, denn erstens hing es mit den Morden in Vientiane zusammen, und zweitens konnte es sein Ende bedeuten.
Als er erwachte – oder auch nicht -, lag er in einer Kiste. Es war stockdunkel und roch modrig, und obwohl er nicht die Hand vor Augen sehen konnte, wusste er, dass er in einer Kiste lag. Logischerweise nahm er an, es handele sich um die Kiste aller Kisten, und er habe jenes letzte unausweichliche Duell mit der Natur verloren. Doch weit gefehlt.
Der Rauch einer billigen Zigarette stieg ihm in die Nase. Ein warmer, beißender Dunst benetzte sein Gesicht. Er stank nach Schnaps. Siri hörte ein Knarren, dann öffnete sich der Kistendeckel, und grelles Licht blendete ihn. Gesichter schauten zu ihm herab: bleiche, emotionslose Gesichter. Einige hatten Lippen von der Farbe einer frisch beigebrachten Wunde; andere trugen Schmuck, der weder glitzerte, noch von besonderem Reichtum zeugte; alle hatten
leere, schwarze, stumpfe Augen, die an den Rändern spitz zuliefen wie Eidechsenschwänze.
Siri war auf winzige Größe geschrumpft, ganz so als sei er ihr Spielzeug. Er sah zu ihnen hoch. Sie sahen zu ihm herunter. Es war kein Laut zu hören. Eine halbe Ewigkeit starrten sie einander an, bis sich der Kistendeckel langsam schloss und Siri wieder in modriger Dunkelheit versank. Doch ihre Gesichter hatte er sich gründlich eingeprägt.
Als er am nächsten Morgen tatsächlich erwachte, war Siri verwirrt und allein. Noch immer umgab ihn der schwere Duft der Früchte, doch nun erschienen sie ihm allzu süß, als wollten sie ein letztes Mal ihre Reife unter Beweis stellen, bevor alles verloren ging. Sein Gefühl der Sicherheit war verflogen. Er hörte das hastige Getrippel kleiner Tiere und erhaschte einen Blick auf ein Murmeltier, das sich mit einer reifen Orange im Maul davonmachte. In den Zweigen wimmelte es von summenden Insekten.
Er drehte sich auf die Seite und sah den Abdruck des Königs im Gras. In der Mulde, die sein Kopf hinterlassen hatte, lag trocken und leblos die Grille von der Schulter des Königs. Der laotischen Tradition zufolge zeigte
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