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Dr. Siri sieht Gespenster - Cotterill, C: Dr. Siri sieht Gespenster - Thirty-Three Teeth

Dr. Siri sieht Gespenster - Cotterill, C: Dr. Siri sieht Gespenster - Thirty-Three Teeth

Titel: Dr. Siri sieht Gespenster - Cotterill, C: Dr. Siri sieht Gespenster - Thirty-Three Teeth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Cotterill
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irrte sich, was Wertiger und Werwölfe anging. Hollywood konnte das alles unmöglich frei erfunden haben.
    »Unter Umständen. Da fällt mir ein. Wenn es tatsächlich keinen Zufall gibt, müssen Sie mir etwas erklären. Ich glaube, letzten Dienstagmorgen hat mich ein Bär besucht. Besteht eventuell eine Verbindung zwischen Yeh Ming und wilden Tieren?«
    »Es besteht eine untrennbare Verbindung zwischen Yeh Ming und der gesamten Natur. Tiere spüren das.«
    Als er den Tempel verließ, beschäftigte ihn ein Gedanke. Der Dolmetscher in Silver City hatte gesagt, Dtui habe nur auf eine Stippvisite vorbeigeschaut. Was, wenn er gelogen hatte? Aber warum hätte er lügen sollen? Und was hätte Siri
in diesem Fall schon tun können? Der Komplex war eine Festung, und er hatte noch nicht einmal einen Vorwand, um sich einzuschleichen. Er war ängstlich und nervös und derart aufgewühlt, dass er nicht so klar denken konnte, wie er wollte.
    Da das Nationalstadion ganz in der Nähe lag, fuhr er ein zweites Mal zu Dtuis Mutter. Er war enttäuscht, aber keineswegs überrascht, als er erfuhr, dass Dtui nicht nach Hause gekommen war. Um Manoluk nicht zu beunruhigen, sagte er ihr, sie arbeiteten an einem Fall, der die ganze Nacht in Anspruch nehmen könne. In einer Garküche auf der Khoun Bourom Road holte er ihr etwas zu essen und gab ihr ihre Medizin. Er versuchte, sich seine Aufregung nicht anmerken zu lassen; trotzdem dachte er in einem fort an Dtui und fragte sich, was ihr wohl zugestoßen war.
    Er suchte überall nach einem Glas, in das er den mitgebrachten Guavensaft gießen konnte. Er zog einen Stoffvorhang beiseite und stand zu seinem Erstaunen vor einem ganzen Regal voller Lehrbücher. Er ging in die Hocke und überflog die Titel. Sie waren allesamt auf Englisch, aber da die Wörter ähnlich lauteten wie im Französischen, konnte er sie sich leicht erschließen: Grundlagen der Chirurgie, Chemische Toxikologie, Onkologie, Urologie, Einmaleins der Krankenpflege . Auch Wörterbücher waren darunter: Englisch-Laotisch /Laotisch-Englisch, Englisch-Russisch. Und jedes Buch war doppelt so dick, wie es ursprünglich einmal gewesen war, weil Unmengen von Notizzetteln zwischen den Seiten klemmten.
    Er zog das Chirurgie -Buch heraus. Auf jedem Blatt befanden sich, in Dtuis winziger Handschrift, detaillierte Exzerpte auf Laotisch nebst russischer Übersetzung. Es mussten Tausende solcher Zettel sein. Siri war aus mehreren Gründen
überwältigt. Er ging mit dem Lehrbuch in der Hand zu Manoluk.
    »Manoluk, kann Dtui Englisch?«
    »Anfangs hat sie sich damit schwergetan. Ich glaube, inzwischen hat sie den Bogen raus. Sie kann es aber nur lesen und schreiben. Mit dem Sprechen hapert es noch. Das Russische macht mir allerdings weitaus größere Sorgen. Sie muss das Ganze ja noch einmal lernen, in einer neuen Sprache.«
    »Wollen Sie damit sagen, sie weiß, was das alles zu bedeuten hat?«
    Sie bedachte ihn mit dem klassischen Blick einer Mutter, deren Tochter soeben beleidigt worden ist.
    »Nein, so war das nicht gemeint. Sie ist ein intelligentes Mädchen. Aber dieses Zeug ist schon in unserer Sprache nicht ganz leicht zu meistern. Dass sie es gleich in zwei anderen Sprachen lernt, ist schier unglaublich. Seit wann macht sie das schon?«
    »Sie hat auf der Schwesternschule damit angefangen. Ursprünglich wollte sie sich um ein Stipendium in Amerika bewerben. Das war noch unter der alten Regierung, damals waren noch jede Menge Dollars im Umlauf. Und so hat sie ihre alten Lehrbücher durchgeackert und sie Zeile für Zeile übersetzt. Dann seid ihr an die Macht gekommen, und die Amerikaner haben uns den Geldhahn zugedreht. Also hat sie noch einmal ganz von vorne angefangen, diesmal auf Russisch.«
    »Das hätte sie mir doch ruhig sagen können.«
    »Nun ja, sie …«
    »Was?«
    »Sie hatte Angst, versetzt zu werden, wenn jemand erfährt, dass sie zwei Fremdsprachen beherrscht.«

    »Und was wäre daran so schlimm?«
    »Also, erstens arbeitet sie gern in der Pathologie. Ich glaube, sie möchte Dingsda werden, wie heißt das noch gleich?«
    »Forensiker.«
    »Genau. Und zweitens haben Sie in der Pathologie ja eigentlich nicht allzu viel zu tun. Nichts ist so dringend, das es nicht bis zum nächsten Morgen warten kann. Es ist im Wesentlichen ein geregelter Acht-Stunden-Job. Und wenn sie auf der Station arbeiten würde, müsste sie Schichtdienst machen und übersetzen. Sie hätte keine Zeit mehr zum Lernen. Sie sitzt jeden Abend da und büffelt.

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