Dr. Siri sieht Gespenster - Cotterill, C: Dr. Siri sieht Gespenster - Thirty-Three Teeth
Kätzchen. Es hatte weder ein Gesicht noch Beine.
Da sie ihre Zunge nicht spürte, wusste sie, dass man ihr starke Medikamente verabreicht hatte. Sie wollte lieber gar nicht erst darüber nachdenken, welche Schmerzen sie betäubten und welche Körperteile ihr fehlten. Sie freute sich einfach, dass sie noch am Leben war.
Ihre Wange fühlte sich platt an, als habe sie schon eine Ewigkeit darauf gelegen. So sehr sie sich auch anstrengte, es gelang ihr nicht, den Kopf zu heben. Also sah sie seitlich und aus schlafverklebten Augen in das vertraute Zimmer.
Die Einzelzimmer in der Mahosot-Klinik waren alle gleich: wattayblaue Wände, das in Laos übliche Bild eines Elefanten, ein abgelaufener thailändischer Bauernkalender und ein Fenster, das so weit oben angebracht war, dass man vom Bett aus nicht nach draußen sehen konnte. Vor ihrem Wechsel in die Pathologie hatte sie zwar viele Stunden in diesen Zimmern zugebracht, aber noch nie in einem
Bett. Sie kam sich vor wie eine Prinzessin – auch wenn diese Prinzessin sich vor Schmerzen kaum bewegen konnte.
Das Kätzchen regte sich. Aus seinem Bauch wuchsen eine kleine Nase, ein Mund und zwei sehr grüne Augen, die erst mit einiger Verspätung registrierten, dass Dtui ihren Blick erwiderte.
»Dtui?«
»Hallo.«
Sie klang wie ein Krokodil.
Siri freute sich sehr. Er hatte einen steifen Hals, weil er während der Krankenwache zum wiederholten Male eingeschlafen war, trotzdem klatschte er in die Hände und berührte ihre taube Wange mit den Fingerspitzen. Sein Lächeln gab ihr ein erhabenes Gefühl.
»Na, das wurde aber auch langsam Zeit«, sagte er. »Wie fühlen Sie sich?«
»Gar nicht.«
Siri steckte die Hand unter die Bettdecke.
»He. Was machen Sie denn da unten?«
Sie versuchte zu lächeln und sabberte ins Kissen. Siri fand ihren Arm und fühlte ihr den Puls.
»Ich fürchte, inzwischen kenne ich all Ihre Geheimnisse, Schwester Dtui.«
Zufrieden mit ihrer Pulszahl, riss er ein Papiertuch von der Rolle und wischte ihr damit über Mund und Augen.
»Warum liege ich auf dem Bauch?«
»Weil sich die meisten Verletzungen auf Ihrem Rücken befinden. Wissen Sie noch, was passiert ist?«
Und ob sie das wusste. Sie erinnerte sich an fast alles, auch wenn es ihr anders lieber gewesen wäre.
»Ich wurde über den Boden geschleift und …«
»Und geschlagen.«
»Dr. Siri?«
»Ja?«
»Hat er … sich an mir vergriffen?«
»Nein. Nicht im Geringsten.«
»Gut.«
Vielleicht hatte sie noch ein Lächeln zustande gebracht. Vielleicht hatte Siri noch etwas gesagt. Aber das wusste sie nicht, denn sie war schon wieder ohnmächtig geworden.
Im Lauf des Tages wachte sie noch mehrmals auf. Einmal beugte sich Geung breit grinsend über sie und versuchte, sie mit einem Vortrag über den Preis von Desinfektionsmitteln wachzuhalten.
Ein anderes Mal scharte sich ein Rudel weiß gewandeter Schwesternschülerinnen um sie.
Dann plötzlich saß Civilai an ihrem Bett und kritzelte mit Bleistift in einem Bericht herum.
Beim letzten Mal war es dunkel, nur ihre Nachttischlampe brannte. Siri lag in einem Liegestuhl, der so gar nicht in ein Krankenhaus zu passen schien, und schnarchte. Da sie ihr Schlafpensum erfüllt hatte, blieb ihr wenig anderes übrig, als sich ihrem Dämon zu stellen. Jetzt konnte sie ihn entweder in einen entlegenen Winkel ihrer Seele verbannen, wo er sich von Zeit zu Zeit bemerkbar machen würde, oder sie konnte ihn exorzieren und ihr altes Leben weiterleben.
Die Nacht verging quälend langsam. Der Doktor schlief mit einem listigen Lächeln auf den Lippen. Sie fragte sich, von welch glücklichen Zeiten er wohl gerade träumte. Aber es half alles nichts; sie musste ihn wecken.
»Dr. Siri. Dr. Siri.«
Der arme Mann war vollkommen verwirrt. Er hatte den ganzen Tag in der Pathologie geschuftet: gleich zwei Schussunfälle im Ausbildungslager der Armee. Als ihm schließlich
einfiel, wo er war, eilte er an Dtuis Bett und ergriff ihr Handgelenk.
»Sie schlagen sich wacker«, sagte er leicht schwankend.
»Muss ich sterben?«
»I wo. Sie werden mich um Jahrzehnte überleben. Sie sind ein erstaunlich zählebiges Pflänzchen.«
»Siri, was ist eigentlich mit meiner Mutter?«
Er errötete. »Ah, ja. Das.«
»Doc?«
»Sie ist vorübergehend zu mir gezogen.«
»Sie lassen aber auch nichts anbrennen, was? Geht es ihr gut?«
»Es geht ihr prima. Sie ist sehr erleichtert, dass Sie die Sache heil überstanden haben.«
»Wie schlimm war es denn?«
»In den ersten drei
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