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Drachen der Finsternis

Titel: Drachen der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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alle Könige getan haben. Ehe mein Vater sich in seinen Garten zurückzog.«
    Eine Weile breitete sich Schweigen zwischen ihnen aus, und alles, was man hörte, war das geheimnisvolle Gluckern des Flusses.
    »Daran glaubst du?«, fragte Christopher schließlich. »Du glaubst, dass es etwas gibt, das in eine Schatulle passt und das all das bewerkstelligen kann? Was ... was soll das sein?«
    »Vielleicht eine magische Waffe?«, flüsterte Jumar. »Oder ein Buch? Oder – vielleicht ist es etwas Unsichtbares, so wie ich.«
    Christopher seufzte. »Es gibt zu viele Märchen in diesem Land.«
    »Es gibt Farbdrachen in diesem Land«, sagte Jumar ernst. »Und Menschen, die in Bronzestatuen verwandelt werden.«
    Da wusste Christopher nichts mehr zu erwidern, und sie fielen wieder in Schweigen zurück.
    Vielleicht war ja alles so, wie dieser seltsame Junge sagte. Vielleicht gab es eine geheime Macht in einem verschlossenen Raum, die alles retten konnte. Er hoffte es.
    Denn wenn sich etwas ändern sollte, war diese Macht bitter nötig.
    Sie mussten eingeschlafen sein, denn als Christopher aufwachte, war er so steif gefroren, dass er sich kaum rühren konnte.
    »Mir war wohl noch nie so kalt«, sagte er und rüttelte Jumar wach.
    »Ich habe geträumt ...« murmelte Jumar. »Von den Gletschern ... und dem Schnee ... er war so weiß, Christopher! So weiß, dass man nicht hinsehen konnte. Wir sind blind einen Weg hinaufgestiegen, bis über die Wolken ...«
    »Wach jetzt besser auf, und komm mit«, sagte Christopher. »Wenn wir noch ein Weilchen hier sitzen bleiben, wirst du den Schnee niemals sehen.«
    Er nieste, und sie machten sich wieder auf den Weg.
    Die Batterien der Taschenlampe wurden schwächer. Jumar machte sie jetzt nur noch an, wenn sie durch Tasten nicht weiterkamen. Und dann war das Ufer zu Ende. Es hörte einfach auf.
    Christopher stand fröstelnd auf dem letzten Felsen und sah sich um. »Wir müssen schwimmen«, stellte er fest.
    »Ich glaube nicht, dass sie geschwommen sind«, sagte Jumar. »Sie kannten sich aus. Es muss hier irgendwo einen Ausgang –«
    Weiter kam er nicht, denn in diesem Moment zerriss ein Knall die Stille. Christopher zuckte zusammen. Ein weiterer Knall folgte, dann noch einer. Jumar löschte die Lampe.
    »Schüsse«, wisperte er.
    Das Echo spielte mit dem Geräusch, warf es an den Wänden hin und her, zersplitterte es und vertausendfachte seine Farben –es war unmöglich zu sagen, woher es gekommen war.
    Dann knallte es ein viertes Mal, und diesmal war es Christopher, als dränge der Knall von oben zu ihnen herab. Er legte den Kopf in den Nacken.
    »Jumar«, flüsterte er. »Sieh nur. Dort oben.«
    Genau über ihnen zeichnete sich weit, weit oben ein kreisrunder Fleck ab, in dem es helle Löcher gab. Aber es waren keine Löcher. Christopher lächelte. Es waren Sterne.
    »Dort ist der Ausgang«, sagte er. »Es ist Nacht über uns.«
    Oben war es jetzt still.
    Jumar ließ das Licht der Lampe die Wand entlanggleiten. Sie verengte sich über ihnen zu einer Art Kamin, und dann sahen sie auch die Treppe. Jemand hatte eine Reihe grober Stufen in den Stein gehauen, mehr eine Hilfe zum Klettern als eine wirkliche Treppe.
    Christopher stieg voraus. Er hielt sich an den Vorsprüngen der Wand fest und bemühte sich, nicht nach unten zu sehen.
    »Arne«, sagte er, »der konnte so was. Es gab diese Halle in der Nähe, und er ist ständig dort in der künstlichen Wand herumgestiegen. Einmal hat er mich mitgenommen, aber ich hatte zu viel Angst. Ich habe nur dagestanden und ihm zugesehen.«
    »Na, jetzt bekommst du auch ein wenig Übung«, sagte Jumar.
    Dort, wo der Kamin begann, hörten die Stufen auf.
    »Was jetzt?«, fragte Jumar.
    »Bist du als Kind manchmal Türrahmen hochgeklettert?«
    »Türrahmen? Nie.«
    »Vielleicht gibt es in Palästen solche Türrahmen nicht. Aber die Türrahmen bei uns kann man hochklettern. Man stützt sich hinten mit dem Po ab und stemmt die Beine in den Rahmen auf der anderen Seite, und dann kriecht man langsam aufwärts.«
    »Davor hattest du keine Angst?«
    »Vor einem Türrahmen?« Christopher schnaubte. Dann blickte er nach oben, und das Licht der Sterne erschien ihm unendlich weit fort, und unter ihm lagen zehn Meter Abgrund.
    »Zeig es mir«, bat Jumar. »Zeig mir, wie man einen Türrahmen hochklettert.«
    »Na gut«, sagte Christopher.
    Und er begann, sich den Felsenkamin hochzustemmen, Stückchen um Stückchen.
    »Es ist... ganz leicht«, keuchte er. »Man braucht...

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