Drachen der Finsternis
blind gemacht.
Drei von ihnen hielten sich an einem Seil fest, um den Weg nicht zu verlieren.
Drei waren größer, bewegten sich auf eine andere Art, ungelenker, gröber – nicht nur, weil sie nichts sahen: europäisch. Und nun verstand Jumar auch, wer »sie" waren, die irgendwohin »gebracht" wurden.
Einer von ihnen, der Hinterste, hatte weißblondes Haar. Jumar sah es im Licht glänzen.
Er dachte an Christophers Worte.
Und dann ist er verschwunden. Alle haben ihn gemocht.
Arne. War das nicht sein Name gewesen?
Jumar setzte sich leise in Bewegung, um der kleinen Gruppe nachzuschleichen. Seine Schritte waren nicht zu hören, aber seine Ohren hörten umso besser.
»Was schert mich, was mit dem Hund Prakash geschieht«, rief einer der Männer.
»Sag das nicht so laut!«
»Wer soll hier unten irgendetwas mitbekommen? Es ist wahr –wir sind es, die am Ende dran glauben müssen.«
»Mir gleich.«
Nun waren sie ganz nah, nur noch ein Felsvorsprung trennte Jumar von den Männern.
»Ich hatte eine Frau und zwei Töchter«, sagte der, der »mir gleich" gesagt hatte. »Dann haben sie beim Militär spitzgekriegt, dass ich in den Bergen sitze – es ist nichts von meiner Familie geblieben, was man betrachten möchte. Ich habe kein Haus, in das ich zurückkehren kann. Sie haben es niedergebrannt, bis auf die Grundmauern. In der Asche habe ich noch das Blut gerochen. An einem dieser Tage werden sie mich kriegen, und ich werde über sie lachen. Mir macht keiner mehr Angst.«
Jumar spürte, wie ein Schauder ihn durchlief. Er verstand nichts von alledem, was er gehört hatte. Doch der Hass in den Worten des Mannes biss in sein Herz, wie Qualm in die Augen beißt.
»Da!« sagte einer der Männer jetzt. »Wartet! Hier – hier ist etwas! Verdammt will ich sein, wenn da nicht einer liegt!«
Das Licht der Lampe wurde auf den Boden gerichtet.
»Ein Junge«, sagte Mann mit der Lampe erstaunt. »Wie kommt der hierher?«
»Ist es einer von uns?«, fragte der Mann, der ganz hinten stand.
»Nein. Ich glaube nicht. Trägt die falschen Kleider. Wobei man nie weiß –«
Jumar spürte, wie ihm irgendwo zwischen Zwerchfell und Leber heiß und kalt wurde, und wusste nicht, ob er sich freuen sollte oder sich fürchten.
»Lebt er noch?«, fragte der hinterste Mann.
»Weiß nicht«, antwortete der Mann mit der Lampe. Und da hielt Jumar es nicht mehr aus. Er schlich um die Gruppe herum – und dann sah er im Schein der Lampe Christophers Gesicht.
Der Mann stieß ihn mit dem Stiefel an, und er regte sich – ein wenig nur. Aber er lebte. Er lebte!
»Bewusstlos. Wir sollten ihn mitnehmen«, sagte einer der Männer. »Wenn es einer von uns ist...«
»Und wenn nicht?«
»Wir können ihn doch nicht hier unten liegen lassen! Er muss verletzt sein – er ist höchstens vierzehn!«
»Was spielt das für eine Rolle?«
»Verdammt, der ist klitschnass, sieh dir das an! Den hat der Fluss ausgespuckt! Der ist oben in den Strudel geraten!«
»Das heißt... es ist keiner von uns. Er ist nur zufällig hier.«
»Und das heißt, wenn er wieder aufwacht und den Weg hier heraus findet, wird er den Leuten von dem Strudel erzählen. Von dem Strudel und von dem unterirdischen Fluss ... und von dem Pfad am Ufer entlang.«
»Und das heißt... wir sollten ihn mitnehmen.«
»Willst du ihn tragen?«
»Ach, der schafft es sowieso nicht. Guck ihn dir doch an, der ist schon so gut wie tot. Der kommt hier nicht mehr raus.«
»Wir können uns nicht sicher sein.«
Jumar sah, wie die beiden Männer, die jetzt neben Christopher knieten, sich ansahen.
»Ach nein?«, fragte der eine.
Dann stand er langsam auf und nahm das Gewehr von der Schulter. Er betrachtete es einen Moment, dann entsicherte er es und zielte auf den am Boden liegenden Körper.
Und dann schrie er.
Er schrie so entsetzt, wie nur ein Kämpfer schreit, der im Dunklen an einem unterirdischen Fluss einem Geist begegnet.
»Da!«, schrie er. »Da war etwas! Etwas hat meinen Arm gepackt, gerade in dem Moment, als ich abdrücken wollte! Starrt mich nicht so an! Es war da!«
Die anderen musterten ihn ungläubig.
Aber dann schrie der Zweite. »Jetzt ist es bei mir!«, schrie er. Und dann spürte der dritte Mann, der ganz hinten stand – noch hinter den drei Fremden –, eine sanfte Berührung auf der Wange: die Berührung einer unsichtbaren Hand.
»Das geht nicht mit rechten Dingen zu!«, rief er. »Der da liegt, ist ein Köder! Das ist kein Mensch!«
Und dann hatten es die drei sehr
Weitere Kostenlose Bücher