Drachenblut 01 - Die Väter
Flucht?« Er klang besorgt, denn
Kates Miene verhieß nichts Gutes.
Das
Mädchen sprach nicht, sondern zeigte nur mit dem Finger auf ein Haus, das in
einiger Entfernung am Waldrand zu sehen war.
»Ist es
das, was ich vermute?«, erkundigte sich Siegfried, bekam als jedoch nur ein
kurzes Nicken zur Antwort. Es war das Kinderheim, welches Kate so fluchtartig
verlassen hatte.
»Nun -
dann wird es wohl Zeit, dass wir diesem Master Frederick einen Besuch
abstatten.«
»Entschuldigt
Herr«, meldete sich Gunther zu Worte, »es steht mir nicht zu - aber wir sollten
den Drachen nicht vergessen«, äußerte er zaghaft seine Bedenken.
»Dieser
Master Frederick scheint ein Ebensolcher zu sein. Ein wenig Training kann nicht
schaden«, Siegfried schien entschlossen und sorglos dazu.
Gunther
schüttelte den Kopf, lächelte aber dabei. Seinem Herren zu widersprechen - das
hatte man ihn nicht gelehrt.
Sie
wandten die Pferde und ritten Richtung Waldrand. Siegfried bemerkte, dass Kate
immer dichter an seine Seite drängte. Offensichtlich hatte sie Angst. Das
konnte er ihr kaum verübeln.
Es
dauerte nur kurze Zeit, bis sie das verfallene Haus am Waldrand erreichten.
Schmutzig wirkte es und einen Handwerksmann hatte diese Behausung schon seit
Jahren nicht mehr gesehen. Vor der Tür spielten ein paar junge Burschen, die
verarmt und abgemagert aussahen. Die Tür zum Hause stand offen und aus dem
Inneren drangen Schreie nach draußen. Siegfried schwang sich aus dem Sattel und
wies Gunther an, mit Kate an Ort und Stelle zu verweilen. Diesen Master
Frederick würde er allein die Leviten lesen.
Kurz
darauf schritt er durch die Tür und wurde gleich von einem fürchterlichen
Gestank empfangen. Natürlich konnte sich jedes Kind glücklich schätzen, wenn es
einen Platz in einem solchen Heim fände. Die meisten elternlosen Kinder wurden
verkauft und dienten als Leibeigene, unter erbärmlichen Umständen, auf
Bauernhöfen oder im Tagebau. Aber selbst dieses armselige Schicksal hätte
manches Kind noch vorgezogen, welches das Innere dieses Hauses jemals zu
Gesichte bekommen hätte. Finster war es. Nicht einmal das Sonnenlicht wollte
sich hier hereintrauen. Siegfried ging vorsichtig ein paar Schritte weiter. Er
vernahm ein Stöhnen, das von großen Schmerzen herzurühren schien, kraftloses
Wimmern aus fast allen Ecken. Zuletzt stolperte er sogar über einen Jungen, der
am Boden lag und ihm mehr tot als lebendig vorkam. Jetzt hörte er wieder diese
Schreie, die aus dem Nebenraum kamen - offensichtlich der Küche. Er öffnete die
Tür und wurde schon im gleichen Moment Zeuge, wie ein dicker, ungepflegter
Mann, der Magd eine schallende Ohrfeige verpasste.
»Bist
du denn von allen guten Geistern verlassen, du dummes, nutzloses Weib?«,
krakelte er böse. Den Hinzugekommenen schien er gar nicht bemerkt zu haben.
»Haltet
ein!«, schrie Siegfried das Scheusal an.
Der
Mann drehte sich zu ihm um und musterte ihn abfällig. »Was wollt Ihr - und wer
hat Euch eingeladen?«, fauchte der Dicke rüde zurück.
»Schweig,
wenn du nicht augenblicklich meinen Stahl zwischen deinen Rippen spüren
willst.« Siegfried war außer sich und machte einen großen Schritt auf den
Dicken zu. Die Hand legte er dabei drohend auf den Griff seines Schwertes. Er
würde noch an seiner Autorität arbeiten müssen. Um fast zwei Köpfe überragte er
diesen Narren. Außerdem konnte jeder unschwer erkennen, dass er ein Ritter im
Dienste des Grafen war.
Kurz
darauf öffnete sich die Tür hinter ihm. Gunther und Kate eilten herein.
Offensichtlich hatte sein Knappe das Mädchen nicht mehr zügeln können.
»Ihr
habt meinen Bruder getötet - in der Hölle sollt Ihr schmoren«, keifte Kate den
Dicken an und spuckte in seine Richtung.
Nun
kippte die Situation. Selbst Siegfried war überrascht davon, wie schnell der
unförmige Kerl herbeigeeilt war, um nun seine Kate grob am Arm zu packen. »Du
kleines, widerliches Miststück. Die Lügen werde ich dir aus dem Leibe prügeln«,
brüllte er mit puterrotem Gesicht.
Siegfried
zögerte keinen Moment. Er zog sein Schwert, welches Gunther erst am Tage zuvor
geschliffen hatte und hieb dem Dicken, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, den
Arm ab. Direkt unterhalb der Schulter hatte der Stahl sein Ziel getroffen und
es war mehr als makaber, dass der Arm nun an Kates Jacke baumelte. Der Dicke
schrie wie am Spieß und fluchte, dass selbst eine Hure errötet wäre. Siegfried
hatte genug von diesem Schauspiel. Er hob sein Schwert erneut
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