Drachenblut 1 - Kreuzungen | textBLOXX
vergangen. Jonas war von einer langen Wanderung ins Haus seiner Eltern zurückgekehrt und lag müde auf seinem Bett. Etwas war merkwürdig. Jonas verspührte plötzlich eine innere Unrastigkeit in seinem Körper, die ihm bisher fremd war. Er fragte sich gerade, ob er es mit seinen Ausflügen nicht etwas übertrieb. Seine Gelenke und Knochen taten ihm weh. Er hatte zwar noch nie gehört, dass ein Elb von Rheuma geplagt wurde, aber wer wusste schon, was in dieser Zeit alles möglich war.
Die Schmerzen nahmen zu. Jonas massierte sich seine Handgelenke und schaute aus dem Fenster. Es war Vollmond. Das helle Licht fiel direkt auf sein Bett. Jonas sah den Mond an, als ihn ein stechender Schmerz durch die Schulter fuhr. Jonas krümmte sich vor Qual. Er wollte nach Hilfe rufen, aber seine Stimmbänder versagten ihm ihren Dienst. Der Schmerz begann sich von der Schulter über seinen ganzen Körper auszubreiten. Panik erfaßte Jonas. Er sah auf seine Hände, die sich anfühlten, als würden sie in Flammen stehen. Sie veränderten sich. Jonas wollte es kaum glauben und hielt es für eine Schmerzhalluzination. Doch es passierte wirklich. Seine Finger wurden kürzer, knochiger, tatzenartig. Außer den Kopfhaaren verfügen Elben über keine Körperbehaarung. Jonas jetzt schon. Noch während sich seine Hände zu Pfoten verformten wuchs Jonas ein dichtes, weiches, flauschiges Fell.
»Shit!«, dachte Jonas, als ein fremdes Erinnungsfragment in seinem Schädel aufblitzte. Das Bild eines Wolfes, eines großen Wehrwolfes, tauchte in seinem Kopf auf. Er war es, der Jonas angefallen hatte. Er hatte ihn in die Schulter gebissen. Jonas sah es klar vor seinem innerem Auge. Ein alter, grauer Wehrwolf hatte ihn gebissen, eigentlich hatte er nur leicht zugeschnappt und gleich wieder losgelassen.
»Entschuldige, dass ich dir diese Last aufbürde. Aber ich kann meine Aufgabe nicht mehr erfüllen.«, hatte der Wehrwolf geheult. Mit dem Biß waren Erinnerungen auf Jonas übergegangen. Der Wehrwolf, der eigentlich ein Lycanthrop war, war alt. Seine Zeit war gekommen, die Welt zu verlassen. Doch hatte er eine Aufgabe und diese Aufgabe war auf Jonas übergegangen.
»Was ist das für eine Aufgabe?«, hatte Jonas gefragt.
»Du wirst es wissen, wenn es soweit ist. Es tut mir leid, dir dies angetan zu haben. Du wirst es verstehen und mir vieleicht auch verzeihen. Wenn die Zeit reif ist, wirst du alles verstehen. Ich kann dir nicht mehr sagen, außer, dass du nicht alleine bist. Wer weiß, was kommen wird. Manchmal taucht Hilfe an Orten und von Wesen auf, von denen du es am wenigsten erwarten würdest.«, meinte der Wehrwolf, bevor Jonas seine Besinnung verlor.
Der Erinnerungsblitz war vorbei und die Schmerzen verschwunden. Jonas musste niesen. Dabei stellte er fest, dass statt einer Nase und eines Mundes, er eine Hunde- oder Wolfsschnauze besaß. Etwas unsicher sprang er von seinem Bett und lief auf allen Vieren zu seinem Kleiderspiegel.
»Hm, wie erkläre ich das jetzt meinen Eltern?«, fragte sich Jonas, als er sein Spiegelbild sah.
Statt eines Elben blickte ihn ein sichtlich verstörter Wolf an. Um es genau zu nehmen, war er sogar ein sehr großer Wolf, jedenfalls größer als ein Wolf der kein Wehrwolf war. Ansonsten sah er wirklich wie canis lupo aus. Schnauze, überall dichtes Fell, vier Pfoten. Seine Kleidung wirkte an diesem anderem Körper etwas deplaziert. Sein Raglan-Shirt wusste nicht, ob es nun spannen sollte oder schlabbern. Es war einfach für eine völlig andere Körperform gefertigt worde. Auch mit Jonass Shorts stimmte etwas nicht. Sie schmerzten am Steiß.
»Ich Idot!«, dachte Jonas und befreite seinen Schweif aus seinem Gefängnis.
»Hm! Und nu?«, Jonas musterte sich im Spiegel und stellte dabei fest, dass er alles in schwarz-weiß sah. Sämtliche Farbe war verschwunden. Dafür meinte er Konturen besser erkennen zu können, bis ihm auffiel, dass es, bis auf das Mondlicht, keine Beleuchtung im Zimmer gab. Für so wenig Licht konnte er vorzüglich sehen. Oder anders, denn Elben besaßen ebenfalls eine besondere Sehkraft, auch wenn sie nicht mehr so gut war, wie noch vor ein paar Jahrunderten. Seine Sehfähigkeit als Wolf war anders. Während Jonas als Elb mehr eine allumfassende Perspektive wahr nahm, also eher einen Panoramablick besaß, war sein Wolfsblick gezielter, gerichteter und präsenter, sehr auf einzelne Objekte bezogen.
Und dann war da noch der Geruchssinn. Jonas musste niesen, weil eine Flut von Gerüchen auf ihn
Weitere Kostenlose Bücher