Drachenblut 2 - Linien | textBLOXX
hast du alles gelernt, was wichtig war zu lernen. Es wird Zeit, dass du lernst, wer du bist! Lerne Segato G`Narn kennen, lerne dich kennen.«
»Und wie mache ich das?«
Erogal grinste: »Wie wäre es, wenn du eine Reise machst?«
»Eine Reise?«
»Sicher! Du hast ununterbrochen gelernt. Du hast es dir verdient, die Früchte deiner Arbeit zu ernten. Nimm dir die Zeit. Reise. Wandere umher und erkenne dich selbst. Wer weiß, vieleicht verliebst du doch sogar dabei.«
»Und wohin soll ich verreisen?«, die Idee Crossar zu verlassen, war mir überhaupt noch nicht in den Sinn gekommen.
»Wohin du willst. Du hast viel gelernt. Du kennst die Welt aus Büchern. Welches Land, welche Stadt hat dich am meisten fasziniert?«
»Daelbar!«, ich musste nicht einmal nachdenken. Die Antwort kam von ganz allein.
Erogal D'Santo grinste breit und meinte: »Natürlich, Daelbar, wohin sonst...«
Erogal D'Santo stand auf und ging zum verschlossenen Bücherregal. Er öffnete das Regal und hantierte darin herum. Es gab ein leises Klicken und ein Teil des Regals rollte zur Seite und gab den Zugriff auf ein weiteres Bücherregal frei. D'Santo griff zielsicher ein dünnes Buch und kehrte zu seinem Clubsessel zurück. Er setzte sich, beugte sich zu mir vor, wobei er sich mit den Armen auf seine Beine stützte. Das Buch hielt er in seiner rechten Hand, als er seinen Kopf hob und mir tief in die Augen schaute: »Du weißt, was die Aufgabe der Gilde ist?«
»Wir kämpfen gegen das Böse, Aber dass ist wohl nicht das, was ihr wissen wolltet.«
D'Santo grinste: »Warum vermutet jeder einen Hintergedanken, wenn ich eine einfach Frage stelle? Aber es war wirklich so einfach gemeint. Ja, wir kämpfen gegen das Böse.«
Ich sah meinen Lehrer, Mentor und Meister fragend an: »Worauf wollt ihr hinaus, Meister?«
»Hierauf!«, Erogal D`Santo reichte mir das Buch. Ich nahm es in meine Hände. Es war mehr ein Heft als ein Buch. Es besaß einen Einband aus einem weichen Material, dass sich sehr angenehm anfühlte, war ansonsten aber schmucklos. Es besaß nicht einmal einen Beschirftung. Aber das Merkwürdigste an diesem Buch war, dass es sich warm anfühlte. Ich schlug es auf. Die Seiten waren aus einem seltsamen Papier geschöpft. Es war etwas gelblich und von feinen Linien, wie von Adern, durchzogen. Sämtliche Seiten waren leer. Etwas irritiert sah ich meinen Meister an, während ich gleichzeitig mein erlerntes Wissen durchforstete.
»Schlag die erste Seite auf.«, forderte mich Erogal D'Santo auf.
Ich tat, wie mir gehießen. Ich sah nichts. Die Seite war leer... Nein, die Seite war zuerst leer, änderte sich aber. Die Linien oder Äderchen des Buches, pulsierte, als wenn Blut durch die feinen Kapilaren der Seiten fließen würde. An manchen Stellen begann sich das Papier zu verfärben, erst bräunlich, dann heller werdent, bis schließlich altertümlich geschwungene Buchstaben gold leuchtend vor meinem Auge standen.
»Lies!«
Die Buchstaben waren wirklich altertümlich und entstammten einer sehr alten Schrift, mit der ich schon während des Unterrichts meine liebe Mühe gehabt hatte. Erschwerend kam hinzu, dass die Schrift auch noch funkelte, osszilierte und irgendwie leicht hin und her wogte. Mühsam fing ich an zu lesen: »Ich grüße dich, Segate G'Narn, 3. Graumeister der Gilde der Wächter!«, entsetzt sah ich Erogal D'Santo an, »Graumeister? Ich? Aber Meister...«
»Höre auf mich Meister zu nennen. Ich war nie dein Meister. Ich war dein Lehrer, dein Mentor und hoffentlich ein väterlicher Freund, mehr aber auch nicht. Der oberste Rat der Graumeister hat entschieden dich in ihren Kreis aufzunehmen. Du hast es dir verdient. Du hast es dir redlich erarbeitet. In den letzten viereinhalb Jahre hast du mehr Wissen und Fertigkeiten erlernt, für das die meisten Wesen ein ganzes Leben benötigt hätten. Es ist deinem Erbe zu verdanken, dass du so weit gekommen bist. Dieses Buch wird dich von nun begleiten. Es hat sich mit dir verbunden und verbindet dich mit uns. Jeder Meister besitzt eines dieser Bücher. Die Meisterbücher, wie sie genannt werden, sind lebendige Wesen. Sie leben in Symbiose mit ihren Besitzern. Auf deiner Reise nach Daelbar werdet ihr euch kennen lernen. Mit diesem Buch bist du niemals allein, selbst in den tiefsten Verließen der Trolle. «
»Ich bin ein Graumeister?«, ich konnte es immer noch nicht fassen. Wer war ich denn? Ich war ein Junge von der Straße, der zum überleben arglose Menschen beklaut hatte und
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