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Drachenblut

Drachenblut

Titel: Drachenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Lee Parks
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würde, wenn tatsächlich einmal der Datenspeicher gelöscht würde, in dem er sich gerade befand. Was wäre, wenn er wirklich einmal bei einer Signalübertragung verloren gehen oder nur unvollständig übermittelt werden würde?
        Bei diesen Gedanken machte sich Virgil ernsthaft Sorgen um seine Zukunft. Bei aller Begeisterung für die Technik war er doch rational genug, um die Unzuverlässigkeit vieler technischer Systeme und der Menschen, die mit diesen Systemen umgingen, nüchtern einschätzen zu können. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte Virgil Angst vor dem Tod.
        Die mit steigender Geschwindigkeit zunehmenden induktiven Felder verursachten bei Virgil ein angenehmes Kribbeln in der Magengegend. Seine trüben Gedanken wichen einer Lebensfreude, die ihre Kraft aus dem bewussten Erleben des Augenblickes bezog. Hier in der virtuellen Realität hatte er unbegrenzte Macht über alle Bedingungen, die seine Existenz bestimmten. Warum sollte es also ausgeschlossen sein, dass er einen Weg finden würde, der ihm Unsterblichkeit garantierte?
        Eine dieser Möglichkeiten bestand darin, von sich selbst Kopien zu erstellen. Unter Inanspruchnahme sämtlicher zur Verfügung stehender Netzwerke könnte er die Computer der Welt mit »sich« überschwemmen. Er könnte sich in einer astronomischen Rate reproduzieren, in jeder Sekunde tausendmal schneller als noch in der Sekunde davor. Dann ginge von einem plötzlichen Programmabsturz oder einem Datenverlust keine Gefahr mehr aus.
        Der Gedanke von der Kopie seiner selbst hatte auf den ersten Blick durchaus seinen Reiz. Bei näherer Betrachtung befielen Virgil jedoch erhebliche Zweifel, ob es denn ratsam wäre, sich in unendlich viele Exemplare aufzuspalten. Er hätte keine Garantie, als Persönlichkeit einzigartig zu bleiben. Würde er nicht das verlieren, was ihn hier in der VR noch vom System unterschied? Er war eben anders als die synthetische Welt, in der er lebte, er war schlichtweg einzigartig!
        Für Virgil war es damit klar, dass er auf anderem Wege zur Unsterblichkeit gelangen musste. Das ewige Leben konnte ihm nur durch die Unabhängigkeit von einem Datenträger garantiert werden. Und das bedeutete, dass er seine Seele vom Körper trennen musste.
        Natürlich konnte Virgil auf seiner Reise durch die Telefonleitung nicht nach draußen sehen. Für ihn war es, als sause er durch eine langen Tunnel, an dessen anderen Ende ein anderes System auf ihn wartete. Deshalb konnte Virgil auch nicht sehen, wie eine gigantische stählerne Maschine fünf Kilometer weiter einen Telegrafenmasten niedertrampelte, als wäre es ein Streichholz.
        Die Reise wurde unversehens zu einer holprigen Angelegenheit, und Virgil wurde unsanft aus seinen Gedanken gerissen. Zuerst glaubte er, er würde ein schlecht gewartetes Relais passieren. Solche Schlampereien waren selbst bei den größten Telefongesellschaften nicht ungewöhnlich. Dann wurde die Situation aber schnell prekär. Die Feldspannung in der Leitung veränderte sich, und der Datenfluss stockte. Funken stoben in alle Richtungen, Drähte zerrissen, Isolationen verschmorten. Virgil fühlte, wie er von einem gewaltigen Sog erfasst und gleichsam aus dem Telefonkabel gezerrt wurde. In einem spektakulären Lichtbogen sprang er auf die riesige Maschine über, die sich in den Leitungen verfangen hatte. Der Lichtbogen wanderte auf der Suche einer besonders leitfähigen Oberflächenstruktur auf der stählernen Hülle der Maschine umher und schweißte dabei hässliche Narben in die Haut des Prototypen.
        Am Hinterkopf des Automaten hingen einige Kabel heraus, die einst zur externen Steuereinheit geführt hatten, mit der die Maschine gesteuert worden war. Diese Kabel wirkten wie eine Antenne und zogen die elektrischen Ströme entsprechend stark an. Unter Erzeugung von tausenden kleiner Blitze fuhr Virgil in das elektronische Gehirn des Monstrums ein. Ehe er sich versah, saß er am Steuerknüppel der Maschine und blickte von hoch droben durch die Objektive zweier Kameras hinaus auf die Welt, die zu seinen Füßen lag.
        Virgil hatte kaum Zeit, sich auf seine neue Umgebung einzustellen. Ein Bataillon Panzer rückte an und formierte sich an seiner rechten Flanke zu einer Kampflinie. Zu seiner Linken versuchte derweil ein Sondereinsatzkommando unter Ausnutzung der vorhandenen Deckungsmöglichkeiten sich unauffällig anzuschleichen.
        Um aus der Schusslinie zu kommen, lenkte Virgil den Prototypen

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