Drachenblut
Zuschauer, Kunsthändler, Mäzene, Kritiker, allesamt eine Bande von Schmeißfliegen, die sich am Auswurf der Künstler delektieren und sich dabei noch nicht einmal über die grundsätzliche Nichtigkeit der Werke im Klaren sind. Einzig und alleine der Künstler darf sich anmaßen, über den Wert des von ihm Geschaffenen zu spekulieren.«
Der Kritiker überhörte geflissentlich die Anspielung auf seinen Berufsstand und bohrte in der Sache nach, um vielleicht doch noch eine schwache Stelle aufzuspüren, wo er sein Opfer erlegen konnte. »Glauben Sie nicht, dass Sie hier durch die Wirklichkeit widerlegt werden? Die Museen der Welt, gefüllt mit wertlosem Trödel?«
»Was sehen wir schon in den Museen? Faksimiles und Kopien, vom arglosen Betrachter schon lange nicht mehr vom Original zu unterscheiden und aus Unwissenheit oder Ignoranz mit diesem gleichgesetzt. Verstehen Sie, es werden nachgebildete Objekte bestaunt, von denen uns die Geschichte oftmals nur Fragmente überliefert hat.«
Mit einer entschiedenen Bewegung langte Arthur nach seinem Kunstwerk, riss wahllos einen Teil davon ab und hielt ihn dem erstaunten Kritiker vor die Nase. »Hier, nehmen Sie das. Vergraben Sie es, vergessen Sie es und zerren Sie es in tausend Jahren wieder an das Licht des Tages. Glauben Sie etwa tatsächlich, es ergäbe einen Sinn, anhand dieses Bruchstückes dereinst nach dem Wesen meines ursprünglichen Werkes zu forschen?«
Zögernd nahm der Kritiker das Artefakt an sich. Er drehte und wendete das kostbare Teil, das ihm den Anschein einer ordinären Blechbüchse machte, und wusste nicht so recht, was er damit anfangen sollte.
»Damit sind die Museen bis oben hin gefüllt«, stellte Arthur fest. »Wer vermag schon zu erahnen, ob sie das Werk des Künstlers in ihrer gesamten Bedeutung zu repräsentieren vermögen? Natürlich sind diese Exponate hübsch anzusehen, aber das kann wohl nicht das Kriterium sein, nicht wahr?«
»Dennoch, wie kann Kunst als etwas verstanden werden, was unter Ausschluss des bewussten Gestaltens vonstatten gehen muss?« Der Kritiker wollte sich einfach nicht mit den merkwürdigen Theorien seines Gegenübers abfinden. »Gerade das gezielte Schaffen zeichnet doch das künstlerische Tätigwerden aus. Ein jedes Tier könnte sonst ein Künstler sein. Durch eine Spur, die die Katze dem Jagdtrieb folgend im Schnee hinterlässt, durch einen Kratzer in der Rinde eines Baumes. Die Kunst als simples Resultat der Befriedigung eines Triebes?«
»Triebe?« Arthur nahm das Stichwort prüfend auf. »Hmm, das gefällt mir. Da sind Sie der Sache vermutlich näher, als Sie wissen können.«
»Und was geschieht, wenn Sie ihren … Projektor nicht nur auf ein lebloses Objekt oder auf bloße Materie richten? Nehmen wir einmal an, Sie projizieren ihre hypothetischen Partikel auf ein lebendes Wesen, auf einen Menschen aus Fleisch und Blut?«
Arthur wusste die Antwort ohne lange nachdenken zu müssen. »Es tötet ihn!«
Die Umstehenden konnten weder der Frage, noch der Antwort einen Sinn abgewinnen. Die Dame mit der kräftigen Statur kniff ihre Augenbrauen zusammen, rückte mit gespreizten Fingern ihre schwere Hornbrille zurecht und suchte den Kontakt zu ihrem Nachbarn. »Verzeihen Sie, haben Sie eben etwas verstanden? Worum ging es denn?«
»Ich glaube, er möchte jemanden töten. Aber ich bin mir nicht ganz sicher, vielleicht fühlt er sich auch nur bedroht.«
»Diese Projektion eines Gedankens oder eines Gefühles auf einen anderen Menschen bedarf sicherlich an dieser Stelle keiner näheren Erläuterung mehr«, fuhr Arthur fort. »Diese destruktiven Mechanismen sind Ihnen wohl aus eigener Erfahrung hinreichend bekannt.«
»Ich bezweifle, dass ich Ihnen folgen kann.« Der Kritiker fragte sich, ob es nicht an der Zeit wäre das Thema, oder noch besser den Gesprächspartner zu wechseln.
»Natürlich wissen Sie, worum es geht. Jawohl, auch Sie selbst sind Sender und Empfänger zugleich.« Arthur war damit beim Kern seiner Ausführungen angelangt. »Die Projektion von Gefühlen und Emotionen auf einen Menschen, die Beschleunigung von spirituellen Teilchen auf das Objekt unserer Begierde, der Wunsch zu formen und zu manipulieren … Ich spreche von der Liebe!«
Damit war für Arthur das Thema erledigt. Er ließ seinen Blick in Richtung des Buffets schweifen und entdeckte dort einen alten Bekannten, den er unbedingt
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