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Drachenblut

Drachenblut

Titel: Drachenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Lee Parks
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Kritiker fröstelte, und er war insgeheim über das dicke Fell dankbar, das er sich im Laufe seiner beruflichen Tätigkeit zugelegt hatte und das ihn solche Torturen halbwegs mit Würde überstehen ließ.
        Die Freundinnen der Gräfin machten allesamt leicht saure Mienen. Das konnte von den Drinks kommen, die sie in ihren verkrampften Händen hielten, vielleicht aber auch nicht.
        Die Gräfin näherte sich der zweiten Strophe und kam jetzt doch etwas außer Atem. Sie zog es daher vor das Ständchen abzubrechen, bevor es zu peinlich wurde. »Na, wie war ich? Sie müssen zugeben, dass ich nichts verlernt habe, in all den Jahren.«
        »Meine Gnädigste«, der Kritiker verbeugte sich und küsste die Hand der Gräfin, »Ihre Stimme zu hören heißt den Engeln zu lauschen. Sie entschuldigen, ich habe noch beruflich zu tun …«
        Die Freundinnen der Gräfin bewunderten die Nonchalance des Kritikers.
        »Ein wirklicher Gentleman.«
        »Sagen Sie, schreibt er nun für den STAR oder die POST?«
        »Ich bitte Sie, das wissen Sie nicht?«
        »Doch schon, ich war mir nur nicht sicher.«
     
    Zur Enthüllung seines Kunstwerkes hatte sich Arthur eine besondere Überraschung einfallen lassen. Diese Aufgabe wollte er nämlich dem Publikum selbst überlassen. Arthur wollte nach dem Zufallsprinzip einen Besucher der Stadthalle auswählen, der mit Kunst nichts am Hut hatte. Ein absolut unbedarfter Mensch sollte es sein, dessen Reaktion auf seine unerwartete Funktion als Teilnehmer am künstlerischen Prozess folglich von aufschlussreicher Unmittelbarkeit wäre.
        Arthur befestigte an dem Leintuch, unter dem seine Skulptur noch verborgen war, ein dickes Segeltau, an dessen anderen Ende er eine Schlinge knüpfte. Diese Schlinge legte er dann mehr oder weniger unauffällig auf dem Parkett aus, dort, wo die Gäste unaufhörlich vorbeidefilierten. Er selbst versteckte sich hinter der Skulptur und wartete dort ungeduldig auf den großen Moment, in dem die letzte Hülle fiel und die Öffentlichkeit sein Werk bestaunen durfte.
        Der Kritiker bahnte sich gerade einen Weg durch die Menge, als er sich unvermittelt mit seinem rechten Fuß in einer Schlinge verfing. Arthur, T.S. klatschte begeistert in die Hände, als die Verbindung zwischen Kunst und Kritik hergestellt war. Das Seil spannte sich wie vorgesehen, doch leider war das Leintuch sehr eng um die Skulptur gewickelt, wodurch sich das Tuch nicht vom Kunstwerk trennen wollte. Das rechte Bein des Künstlers wurde nach hinten gerissen. Und weil es nicht mehr vorwärts ging, fiel der Kritiker der Länge nach auf die Nase. Es war nur dem Zufall zu verdanken, dass er nicht auf der Stelle von der gleichfalls umstürzenden Skulptur erschlagen wurde, die ihn nur um wenige Zentimeter verfehlte.
        Für Arthur gab es nun zwei Möglichkeiten. Er konnte so tun, als gehöre er nicht dazu, oder er konnte aus der Not eine Tugend machen und als Retter in der Not auftreten.
        »Herrje! Was ist denn geschehen? Warten Sie …« Arthur eilte herbei und erkannte auch schon den Mann, der da auf dem Boden lag. »Ach nein!«
        Der Kritiker schaute auf und erblasste. »Sie? Das ist aber ein Zufall! Wenn ich nur geahnt hätte …«
        Bis sich der Kritiker darüber im Klaren geworden war, wie er auf die unverhoffte Begegnung reagieren sollte, klopfte er sich erst einmal den Staub aus seinem Anzug. Eindeutig, das war dieser verrückte Künstler, der nirgendwo beliebt und dennoch überall bekannt war, und vor dem ihn seine Kollegen stets gewarnt hatten. Bis jetzt hatte er noch nie das zweifelhafte Vergnügen oder gar das Bedürfnis gehabt, den Mann persönlich kennenzulernen und sich eine Meinung über ihn zu bilden. Aber vielleicht bot sich hier ja eine Chance, um sich im Feuilleton einmal mehr als Kenner der Szene darzustellen. Es war nämlich wirklich unerheblich, was man von diesem oder einem beliebigen anderen Künstler hielt, wichtig war, dass man ihn als Erster entdeckt hatte. Mit diesem Privileg durfte man sich lange zieren, und als Protegé eines Nachwuchskünstlers hatte man sozusagen einen Fuß in der Tür zur Kunstszene.
        »Würden Sie wohl so freundlich sein und mir einen Augenblick behilflich sein?« Vergeblich versuchte Arthur seinem Kunstwerk wieder auf die Beine zu helfen, das in wenig anmutiger Position auf dem Parkett lag.
        Der Kritiker gab sich einen Ruck und packte mit an. Gemeinsam gelang es ihnen,

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