Drachenblut
sprechen musste. Arthur entschuldigte sich höflich, eilte, unbestimmt in die Ferne gestikulierend, davon und verschwand mit großen Schritten in der Menge, bevor der Kritiker die Finte durchschauen konnte. Die ganze Versammlung löste sich auf, und schließlich standen sich nur noch der Kritiker und die Dame verlegen gegenüber, ohne dass sie sich etwas Wichtiges mitzuteilen gehabt hätten.
»Ja, ja, die Kunst …«
»Da haben Sie sicherlich recht.«
Der Kritiker wartete noch ein wenig, und dann stahl auch er sich mit einer alten Finte davon.
Die dicke Luft in der Stadthalle machte ganz schön durstig. Stanley hatte die Alkoholvorräte in seinen Manteltaschen schon bald aufgebraucht, und es wurde Zeit, dass er für Nachschub sorgte. Die gelangweilte Stimmung am Tisch der Bürgerwehr erlaubte es durchaus, den Platz für kurze Zeit zu verlassen, ohne etwas Wesentliches zu verpassen. Mit einiger Mühe erhob sich Stanley von seinem Stuhl, schälte sich aus seinem schweren Mantel und zog los, um die Situation an der Bar zu erkunden.
Nur unweit vom Tisch der Bürgerwehr versuchte Rex in einem spontanen Anfall von Nächstenliebe einen Polizeihund zu schwängern. Hank war vom rüden Benehmen seines Gefährten unangenehm berührt, und er versuchte Rex an der Leine vom Ort des Geschehens fortzuziehen. Der bedrängte Polizeihund war über das Ansinnen seines Artgenossen ebenso wenig erfreut wie der Uniformierte, der das Treiben mit grimmiger Miene verfolgte.
Gleich nebenan saß die Seniorengruppe des Jugendtheaters beim gemütlichen Kaffeekränzchen zusammen. Die älteren Damen und Herren diskutierten gerade freundlich aber bestimmt darüber, wem das einzige Stück der herrlichen Kirschtorte zustehen würde, das allzu verlockend auf dem Kuchenteller lag. Der Anstand verbat es selbstverständlich, dass man sich einfach auf das Stückchen stürzte, bevor das die anderen taten.
»Aber bitte, greifen Sie doch zu. Ich verzichte natürlich gerne …«
»Nein, nein, bedienen Sie sich nur!«
»Niemals, ich bestehe darauf.«
Der Kuchenteller wurde kreuz und quer über den Tisch geschoben, aber niemand wagte es das Objekt der Begierde endlich an sich zu nehmen.
»Vielleicht möchten Sie …?«
»Ich bitte Sie, es käme mir nie in den Sinn … Ich weiß doch, wie gerne Sie Torte essen. Es wäre ja nicht das erste Mal, dass ausgerechnet Sie …«
Zwei Schritte weiter nahm die Debatte an Schärfe zu. Der Polizist fuchtelte mit seinem Knüppel herum und schien sich nicht entscheiden zu können, ob er zuerst auf Hank oder auf Rex einprügeln sollte. »Was geht hier vor, Sie perverses Schwein? Mein Hund ist doch nicht zum Vergnügen hier! Was glauben Sie eigentlich, wo Sie hier sind?«
Die Damen und Herren am Tisch drehten sich um und starrten auf den Schutzmann, der sich daraufhin dazu entschloss, von Hank abzulassen und stattdessen Rex zur Verantwortung zu ziehen, der sich mittlerweile unter den Tisch verzogen hatte. Wahllos trat der Uniformierte mit seinen Stiefeln in die Richtung, in der er den Übeltäter am Ende der Leine unter dem Tisch vermutete. Da, die Stahlkappen seines Stiefels trafen auf Widerstand!
Eine Seniorin, die eben noch die Unaufmerksamkeit ihrer Tischgenossinnen ausgenutzt hatte und sich über das betreffende Kuchenstück hermachen wollte, fuhr plötzlich in die Höhe. Die Kirschschnitte hüpfte ihr von der Kuchengabel und fiel auf die Tischdecke, natürlich mit dem Gesicht nach unten. Der Tritt des Polizisten hatte gesessen. Ertappt rieb sich die Dame ihr Schienbein, während sie mit ihrer anderen Hand den verräterischen Fleck auf der Tischdecke verdeckte. Sie biss ihre dritten Zähne zusammen und litt still, nur um nicht die Aufmerksamkeit der anderen auf sich zu ziehen.
Wieder und wieder trat der Beamte unter den Tisch, wobei er die Zähne fletschte und unverständliches Zeug knurrte. Und endlich traf er den Hund, der gleich darauf unter dem Tisch hervor gestoben kam und jaulend quer durch den Saal davon sauste. Es war allerdings der Polizeihund, der eiligst das Weite suchte und die Welt nicht mehr verstand. Diese Form der Tierquälerei fand bei den Herrschaften am Tisch herzlich wenig Anklang.
»Was machen Sie da mit ihrem Hund?« Der Aufschrei der Empörung war groß. »Wie können Sie das arme Tier nur so quälen? Hat man Ihnen auf der Schule keinen Anstand
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