Drachenblut
schmerzhaften Zerrungen davon kam.
Zum Abschluss des Tages konnte Gott der Versuchung nicht widerstehen, und er genehmigte sich in einem symbolischen Akt noch einen herrlichen Apfel, den er unautorisiert von einem Baum zupfte. Der Besitzer des Gartens hatte für solche melodramatischen Auftritte nicht viel übrig, bis er aber nach seiner Flinte gegriffen hatte und nach unten auf die Straße gerannt war, befand sich Gott schon längst auf dem Nachhauseweg.
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DRAMA IM ALLTAG: GEMEINER SEXGANGSTER ERPRESST NUDELFABRIKANTEN! (»Es war Notwehr …!«) - weiter Seite 2.
Dem STAR war der Presseball immerhin eine Sonderbeilage wert. In Wort und Bild wurde ausführlich über die Veranstaltung berichtet, wenngleich der Presseball hinter einigen anderen wichtigen Meldungen des Tages zurückstehen musste (siehe dazu auch Seiten 3 und 5) ,man fühlte sich schließlich der lückenlosen Information des geneigten Lesers verpflichtet, den man nicht nur mit intellektuellen Textbeiträgen herausfordern, sondern auch noch auf lockere Art und Weise unterhalten wollte. Um dieses Bedürfnis nach Unterhaltung zu befriedigen, eigneten sich die sonstigen Tagesmeldungen hervorragend. Sie waren einfacher zu konsumieren als etwa die Beiträge des Feuilletons, das eigentlich niemand lesen mochte, außer den jeweiligen Autoren und einer elitären Schar vielleicht, der man alles zum Fraß vorwerfen konnte, solange es nur unverständlich genug geschrieben war.
Die Titelseite der Sonderausgabe wurde von einer unbeholfenen Montage verschiedener mehr oder weniger gelungener Fotografien geziert, mit denen einige Impressionen des Presseballes wiedergegeben werden sollten. Auf einem der Bilder erhielt ein unbedeutender Nachwuchskünstler von einem angesehenen Kunstkritiker Ratschläge für die Zukunft. Künstler und Kritiker standen neben einer sonderbaren Skulptur, die irgendwo im Artikel als Objekt mit Mantel bezeichnet wurde, obwohl weit und breit kein derartiges Bekleidungsstück zu sehen war. Aber vielleicht war das gerade das Besondere an diesem Kunstwerk. Neben den beiden Herren war übrigens, so verriet die Bildunterschrift, der Fotograf des Bildes zu sehen, der dem Kritiker andächtig lauschte.
Fink hatte sich mit dieser Aufnahme wieder einmal selbst übertroffen. Nach dem Reinfall mit der Schulausstellung hatte er sich von seinen Kollegen manch üblen Kommentar gefallen lassen müssen. Es war schon erstaunlich und geradezu ärgerlich, wie lange ein so kleines Missgeschick im Gedächtnis mancher Zeitgenossen verhaften blieb, nur um bei den unpassendsten Gelegenheiten wieder ans Tageslicht gezerrt und breitgetreten zu werden. Aber das war jetzt Vergangenheit. Die Idee mit dem Selbstauslöser war ein Gedankenblitz gewesen, und es war ihm wirklich nicht unangenehm, zusammen mit der Prominenz in der Montagsausgabe zu erscheinen. Ein Glück, dass ihm wenigstens dieses Foto gelungen war und er den Deckel vom Objektiv genommen hatte!
SEXGANGSTER GESTEHT UNTER TRÄNEN (Fortsetzung v. Seite 2): »Ich wollte sein Sklave sein …« - Weiter S. 8.
Eine Randnotiz der Sonderausgabe beschäftigte sich unter der Rubrik »Buntes Allerlei« noch mit einem Ereignis, das eigentlich inmitten der sonstigen Tagesereignisse nicht weiter erwähnenswert gewesen wäre, aber doch aufgrund seines unerwarteten Ausganges für einiges Aufsehen sorgte. Die Polizei hatte einen Mann verhaftet, der sich als der Heiland ausgegeben und behauptet hatte, er werde vor aller Augen über das Wasser des städtischen Flusses wandeln. Diese Tatsache an sich war noch kein Grund für ein Einschreiten der Beamten gewesen. Auch die Tatsache, dass er noch vor seinem großen Auftritt bei den ungeduldig Wartenden die Kollekte eingesammelt hatte, war den zahlreich Anwesenden kein Anlass zur Skepsis gewesen. Nein, erst als dieser Mann dabei ertappt worden war, wie er sich aufblasbare Schwimmhilfen aus Kunststoff an die Füße gebunden hatte, damit mehr schlecht als recht über das Wasser balanciert und schließlich immer tiefer in den Fluten versunken war, bis er sich in höchster Not als Nichtschwimmer zu erkennen geben musste, war er als Betrüger überführt worden.
Immerhin durfte er sich noch glücklich schätzen, dass ihn die Polizei in letzter Sekunde völlig erschöpft aus dem Wasser gezogen und sogleich in Gewahrsam genommen hatte. Es hätte nämlich nicht viel gefehlt, und er wäre von den enttäuschten Gläubigen noch an
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