Drachenblut
vor den Bauch und schob sich mit ihrer Hilfe nach vorne in die erste Reihe. Andere Zuschauer bedienten sich nicht minder ausgefeilter Techniken, um sich einen guten Platz zu sichern. Da war dieser Hund, der von seinem Herrchen dazu angehalten wurde, die Anwesenden mit einem Knurren oder, in ganz hartnäckigen Fällen, mit gefletschten Zähnen, beiseite zu scheuchen. Der struppige Mischling schien diese Aufgabe gerne auszuführen.
»… sehen Sie also heute eine weitere Folge unserer beliebten Serie … Nein? …« Die Ansagerin wurde nun doch etwas nervös, errötete und wagte nicht mehr, direkt in die Kamera zu sehen. »Also gut, ich denke, wir … wir zeigen jetzt die neueste Episode unserer beliebten Serie SONS OF STEEL. Nach den mir hier vorliegenden Informationen erleben Sie DIE LETZTE STUNDE FÜR KATAYAMA, so der Titel der heutigen Folge. Viel Vergnügen.« Das Lächeln auf ihrem Gesicht gefror zu einer hässlichen Fratze, und dann war erst einmal die Werbung an der Reihe.
Jim fasste sich an die Brust und taumelte entsetzt zurück: Die Sendung war heute? Katayama würde schon in dieser Folge von Dr. Freaks Kampfmaschine angegriffen werden?
»Lassen Sie mich durch! Schnell, so lassen Sie mich doch durch!« Der Mann von der POST schob die umstehenden Zuschauer auseinander, schlug mit seiner Aktentasche nach dem Hund, der nach seinem Bein geschnappt hatte, und zwängte sich aus der Menge heraus. Er durfte keine Sekunde verlieren, wenn er retten wollte, was noch zu retten war. »Hören Sie? Gehen Sie schon zur Seite!«
Unterdessen kam eine langweilige Party dank der richtigen Knabbereien wieder in Schwung. CROSS ALLEINE GENÜGT EBEN NICHT - CRUNCHY IST JETZT NOCH KNUSPRIGER UND KNACKIGER. Dem Gastgeber, ein verpickeltes Bürschchen aus gutem Hause, fielen die Mädchen gleich reihenweise um den Hals, und das störte nicht einmal die Halbstarken, die sich ebenfalls auf der Party eingefunden hatten, obwohl sie nicht eingeladen worden waren.
Atemlos hetzte James durch die Straßen und hielt nach einer Telefonzelle Ausschau. Der Werbeblock vor der Sendung dauerte im Allgemeinen fünf Minuten. Das hieß, er hatte noch ungefähr drei bis vier Minuten, um sich umzuziehen und rechtzeitig zur Arbeit zu erscheinen. Früher war das noch einfach gewesen. Damals hatte es an jeder Ecke eine Telefonzelle gegeben. Heute musste man schon genau wissen, an welcher Straßenkreuzung man fündig werden konnte. Dabei hasste er es, zu spät zu kommen. Das war seinem Ruf als Schauspieler abträglich. Außerdem war es nicht empfehlenswert, kurz vor Ende der diesjährigen Staffel den Ärger des Regisseurs auf sich zu ziehen, um für die kommenden Gehaltsverhandlungen gewappnet zu sein.
Die Aktentasche hatte Jim unter den Arm geklemmt, und die harten Schweinslederkanten drückten ihm nun bei jedem Schritt in die Seite. Das Gewicht der Tasche tat ein Übriges, um den Transport nicht gerade zum Vergnügen werden zu lassen. Auf den ersten Blick waren irgendwelche Unterlagen oder Schriftstücke in dieser Aktentasche zu vermuten. Aber weit gefehlt, in dieser Tasche befanden sich mehrere Gegenstände, die aus dem unscheinbaren Mann von der POST eine Persönlichkeit machten, die Millionen von Zuschauern bekannt war. Keine Frage, Johnny hatte ein Geheimnis, und das hing nicht nur damit zusammen, dass er gerne Damenunterwäsche trug.
STUMPFE MÖBEL? - DAS MUSS NICHT SEIN! BRINGEN SIE IHRE MÖBELSTÜCKE WIEDER AUF HOCHGLANZ MIT DEM KLASSIKER UNTER DEN MÖBELPOLITUREN. EINFACH AUFSPRÜHEN, WISCHEN UND FERTIG! Eine Hausfrau freute sich über die herrlich glänzende Wohnzimmereinrichtung, und der Ehemann nahm sie stolz in die Arme. Es war wirklich sehr einfach, GLÜCKLICH zu sein.
Endlich entdeckte John an einer Straßenecke eine unbesetzte Telefonzelle. Ohne eine Sekunde zu verlieren betrat er das Häuschen und stemmte seinen Fuß von innen gegen die Tür. Dann riss er die Schnallen seiner Aktentasche auf. Mit einem schnellen Blick überzeugte er sich davon, dass die Ausrüstung komplett war: Ein speckiger Duschvorhang aus rotem Kunststoff, ein blauer Rollkragenpullover und eine gelbe Strumpfhose.
Das war ein ungewöhnlicher Inhalt für eine Aktentasche, und der Besitz dieser Gegenstände machte tatsächlich nur Sinn in Verbindung mit der zierlichen Pillendose, die James aus seiner Jackentasche zog. In dieser Dose befanden sich die Tabletten, mit denen seine Schizophrenie behandelt
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