Drachenblut
abgeschaltet.«
»Das musst du schon mir überlassen, schließlich habe ich hier das Kommando.«
»Hoho, das werden wir ja sehen!«
Ohne lange Vorrede entwickelte sich zwischen den beiden eine handfeste Rauferei. Es wurde mit allen Tricks geschubst und gestoßen, und die Auseinandersetzung wurde erst entschieden, als Virgil einen Engländer in die Hände bekam, den er seinem Gegenüber über den Datenhelm zog. Die Funken stoben in alle Richtungen davon, und dann war der Spuk zu Ende. Der Kerl, der da in den Kontrollraum hereingeplatzt gekommen war, löste sich in Luft auf und verschwand von der Bildfläche.
Erleichtert beendete Virgil die Simulation. Er befreite sich aus der VR-Ausrüstung und war doch darüber beschämt, dass ihm nichts Besseres eingefallen war, als sich mit dem ersten Menschen, den er nach all den Jahren der Isolation hier unten im Bunker getroffen hatte, gleich eine Schlägerei zu liefern.
Schlecht gelaunt setzte er sich an sein Kontrollpult, starrte wie immer auf den roten Knopf, und erst jetzt bemerkte er die Beule, die ihm am Hinterkopf gewachsen war. Aber wie konnte das möglich sein? Er war es doch gewesen, der seiner Simulation einen Schlag verpasst hatte, und nicht umgekehrt. Das virtuelle Ebenbild hatte sich vor seinen eigenen Augen aufgelöst, daran bestand kein Zweifel. Und während seine Finger vorsichtig die schmerzhafte Beule betasteten, beschäftigte er sich mit der Frage, ob es tatsächlich sein konnte, dass hier der falsche Virgil übrig geblieben war.
24
Vor dem Schaufenster des Elektrofachgeschäftes herrschte dichter Andrang. Auf dem Bildschirm des ausgestellten Fernsehgerätes war eine Ansagerin zu sehen, die mit fahrigen Handbewegungen ihr Manuskript sortierte und die Seite mit dem richtigen Text zu finden versuchte.
»Nun liebe Zuschauer, lassen Sie mich noch einen Augenblick … wo ist denn nur …? Da hat mir die Regie wohl die falschen …«
Im Inneren des Geschäftes lümmelte der Ladenbesitzer missmutig an der Verkaufstheke herum. Zuerst hatte er geglaubt, es wäre eine gute Idee gewesen, einen Fernseher in das Schaufenster zu stellen, um die Kundschaft damit anzulocken. Wie man deutlich sehen konnte, war der Fernseher tatsächlich eine Attraktion, von der sich die Passanten in den Bann ziehen ließen. Das war aber auch schon alles. Niemandem wollte es einfallen, den Laden selbst zu betreten, um ein solches Gerät zu erwerben. Stattdessen trieben sich die Leute draußen auf der Straße herum, als hätten sie nichts Sinnvolleres anzustellen. Dabei blockierten sie den Eingang für die wenigen Kunden, die tatsächlich das Geschäft aufsuchen wollten.
Der Anblick, den der Inhaber ertragen musste, widerte ihn an. Stumpfe Gesichter starrten in das Schaufenster, bleiche Masken waren das, gleichförmige Fassaden ohne Regung oder Mitgefühl für das Geschehen, das sie auf dem Bildschirm sahen.
»… übertragen wir nun die amtliche Ziehung der … Moment, das hatten wir doch schon gestern …« Die Programmansagerin wartete auf Unterstützung durch die Regie, die ihr bestimmt auch geholfen hätte, wenn sie nicht zuvor durch die aus der Luft gegriffene Anschuldigung der Ansagerin, die Regie wäre an allem schuld, vor laufender Kamera brüskiert worden wäre.
Der Mann mit der Aktentasche hielt ein und besah sich die Menge, die sich am Schaufenster die Nase platt drückte. Jimmy, John oder James war es unbegreiflich, warum sich die Leute unter einem inneren Zwang vor dem Schaufenster versammelten und auf den Fernseher starrten. Eigentlich hatte er es nicht nötig, sich wie ein Schaf zu den anderen zu gesellen. Wenn er aber nun schon einmal da war, konnte es ja nicht schaden, auch einen Blick auf den Bildschirm zu werfen.
In der Not entschloss sich die Sprecherin dazu, auf ihr Manuskript zu verzichten und die Ansage aus dem Stegreif zu gestalten. Schließlich war sie schon lange Jahre im Geschäft, eine solche Panne konnte sie doch nicht aus dem Konzept bringen. Sie legte ihre Notizen beiseite und lächelte in die Kamera. »Liebe Zuschauer … ähhh…«
Inzwischen war die Menschenmenge vor dem Schaufenster zu einer beachtlichen Ansammlung angewachsen. Damit ihm die spitzen Ellenbogen nichts anhaben konnten, mit denen die weiter vorne stehenden Zuschauer nach hinten stießen, um sich gegen die aufdringlichsten Drängler zur Wehr zu setzen, hielt sich John seine Aktentasche
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