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Drachenblut

Drachenblut

Titel: Drachenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Lee Parks
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Isolation auf Dauer zu überwinden und sich mit all jenem zu umgeben, was ihm zu seinem Wohlbefinden fehlte. Daher wollte sich Virgil heute nicht länger damit zufrieden geben, lediglich den Bunker in der VR zu simulieren, heute wollte er sich eine ganze Stadt erschaffen, eine Stadt, wie er sie noch aus den Zeiten kannte, da er noch nicht hier unten eingeschlossen und vergessen worden war.
        DIE STADT DER TAUSEND TRÄUME hatte er die Datei genannt, unter der er das Programm erstellen wollte. Jemand, der mit dem System nicht vertraut war, konnte unmöglich die Dimensionen erahnen, die sich mit Hilfe dieses Programms erschließen lassen würden. Seine Stadt würde eine architektonische Meisterleistung sein, erbaut aus Zahlen und Formeln, eine Stadt nur von der Größe eines Mikrochips, und eine Stadt, die doch mächtiger war als alle Bauwerke dieser Erde zusammen. Die Komplexität und Eindrücklichkeit, mit der das Programm diese virtuelle Stadt vermitteln würde, von der wagten andere Menschen nicht einmal zu träumen. Die Simulation in der VR ermöglichte es Virgil, Bauherr, Makler und Architekt zugleich zu sein, er bestimmte über Art und Aussehen der Gebäude, er legte fest, wo die Häuser und Sportanlagen, wo die Straßen und die Fabriken errichtet werden würden. Wolkenkratzer konnten sich buchstäblich unendlich in den Himmel strecken, die verwegensten und phantastischsten Konstruktionen waren nicht nur denkbar, sondern problemlos realisierbar. Virgil konnte sich seine Stadt in allen Details auf den Leib zuschneidern, er konnte die Geschäfte an den Einkaufsstraßen platzieren, die er selbst immer gerne aufsuchte, jetzt musste er keine weiten Wege mehr auf sich nehmen, nur um die Eisdiele oder die Pizzeria zu erreichen.
        Ein angenehmes Schaudern befiel ihn, als er sich mit flinken Fingern an die Arbeit machte. Der Programmieraufwand war immens, sämtliche Rechensysteme mussten von unnötigen Routineabläufen befreit und zusammengeschaltet, gigantische Datenmengen vom Rechner verarbeitet und als entsprechende Computergrafiken dargestellt werden. Tausende von Ideen warteten auf die Umsetzung in die virtuelle Realität, und Virgil konnte beim Eingeben der Steuerbefehle kaum mit seiner Phantasie schritt halten - so musste sich ein Künstler fühlen, der seine Träume realisierte, oder es war, als wäre er ein Gott, der die Macht hatte, sich eine eigene Welt zu schaffen.
        Virgil benötigte nur fünf Tage von der Idee zu einem ersten provisorischen Computermodell seiner Stadt. Dafür gönnte er sich dann gleich zwei Tage, in denen er ausruhte und das Ergebnis seiner Bemühungen anhand der Datenprotokolle und Tabellen überprüfte. Vielleicht war es auch eine gewisse Scheu vor dem Unbekannten, die ihn noch daran hinderte, sich kopfüber in die Simulation zu stürzen und die Früchte seiner Arbeit zu genießen. Es führte aber kein Weg daran vorbei, früher oder später musste er den Schritt in das kybernetische Terrain wagen. Aufgeregte Gespanntheit befiel ihn, als er in die VR-Ausrüstung schlüpfte und zum ersten Mal das komplette Programm startete, um seine Stadt tatsächlich in Besitz zu nehmen.
        Pünktlich um 19.42 Uhr betrat Virgil die neue Welt, und dieser erste Rundgang überzeugte ihn von der Realisierbarkeit seines Konzeptes. Gewiss, noch hatte der Computer nicht alle Einzelheiten bis in das letzte Detail kalkuliert. Hier und da bestanden die Straßen nur aus einfachen Linien, die scheinbar unmotiviert durch den Raum verliefen, an anderer Stelle mochten die Fabrikgebäude mit den Häusern im Vorder- und Hintergrund verschmolzen sein, weil der Rechner die perspektivischen Berechnungen noch nicht vollständig vorgenommen hatte und die verschiedenen Häuser und Gebäudeteile nicht korrekt hintereinander in der Tiefe des Raumes staffelte, sondern einfach zweidimensional auf einer Ebene darstellte. Dieser Anblick konnte zugegebenermaßen verwirren, aber es gab ja genügend andere Stellen der Stadt, an deren Anblick man sich erfreuen konnte und die innerhalb der VR vom Computer schon sehr realistisch dargestellt wurden.
        Die Erfahrungen bei der Ausbesserung der Grafiken zeigten Virgil, dass es umständlich und wenig praktikabel war, stets den VR-Helm vom Kopf nehmen und den Datenhandschuh ausziehen zu müssen, wenn er im Rechenprogramm kleine Korrekturen vornehmen wollte. Also ersann er eine Möglichkeit, die es ihm gestattete, auf das Aussehen seiner Stadt einzuwirken, ohne aus

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