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Drachenboot

Drachenboot

Titel: Drachenboot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Low
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versorgte.
    Aber es war am Rande des Austrvegrfjord, des Ostwegsfjord. Diesen Namen hatte er nicht aufgrund seiner Lage, sondern weil alle Schiffe, die Raubzüge im Osten planten, diese Wasserstraße nahmen.
    Obwohl die Eingeschworenen sich alle Mühe gaben, sesshaft zu werden, hörten sie doch jeden Tag den Ruf der Straße der Wale. Dann standen sie auf dem Kies am Strand, wo das Wasser ihre Stiefel umspülte und der Wind ihnen ins Gesicht blies, und sahen sehnsüchtig die Segel am Horizont verschwinden. Sie wussten, wo alles Silber der Welt vergraben war, dessen Verlockung kein Nordmann widerstehen konnte. Auch ich nicht.
    Ich sah den Frauen zu, die sich am Feuer beschäftigten, und dachte an den Stein, der unverrückbar hier stand und hoffte, dass ich sie alle zu einem sesshaften Leben überredet hatte – aber in Wahrheit warteten sie nur darauf, dass die neue Elk fertig wurde.
    Das war mir an dem Tag klar geworden, als Kvasir und ich in das Hochtal ritten, wo unsere Pferde den Sommer über weideten. Er sah dauernd über seine Schulter zum Meer zurück, wozu er sich auf seiner kleinen Stute extrem weit herumdrehen musste, weil er nur ein Auge hatte, und deshalb fiel es mir auf.
    Man konnte die Weiden und die Felder hinter uns nicht sehen, auch nicht den Hügelzug, der sie vor dem scharfen Meereswind schützte. Aber man konnte das Meer und die Salzluft auf der Zunge schmecken, und als Kvasir sich wieder herumdrehte und merkte, dass ich ihn ansah, legte er den Kopf auf die Seite und rieb sich mit dem Finger unter der Klappe, die sein totes Auge bedeckte.
    »Na ja«, sagte er bärbeißig, »ich liebe eben das Meer.«
    »Du hast jetzt eine Frau«, erinnerte ich ihn. »Versuch lieber, auch das Land zu lieben.«
    »Ich glaube, sie wird vielleicht eher lernen müssen, das Meer zu lieben«, brummte er und sah mich mürrisch an, weil ich lachte … doch dann musste er auch lachen. Wahrscheinlich war Thorgunna keine Frau, die etwas lernte, das sie nicht lernen wollte.
    Wir waren stumm weitergeritten, in das Tal, das zu beiden Seiten von Bergen umschlossen war, an deren Hängen sich dichte grüne Wälder bis zur Baumgrenze hochzogen, wo die Berge ihre kahlen grauen Gipfel dem Himmel und dem Schnee entgegenstreckten. Es war ein grüner Edelstein, eine perfekte Sommerweide, die nie zu trocken wurde. Am Ende des Tales stiegen Fichten- und Kiefernwälder an, und auf den Höhen lag der Nebel.
    In diesem Tal lag fast unsichtbar eine Hütte, von der man aus der Ferne nur die Rauchfahne sah. Hier lebten Kalk und sein Sohn, die Pferdeknechte, den ganzen Sommer über. Bei unserer Ankunft erschien Kalk, er trug, was Leibeigene immer trugen, eine Kjafal. Dieses ärmellose Gewand hatte eine Kapuze und war an den Seiten offen, zwischen den Beinen wurde es mit einer Schlinge und einem Knochenknebel geschlossen. Mehr trug er nie, ob Sommer oder Winter, obwohl er, wenn der Schnee zu hoch lag, ein Paar ausgetretener Schuhe aus Ochsenfell anzog.
    Er begrüßte uns mit einem Kopfnicken, rieb sich das Stoppelkinn und wartete, während wir absaßen.
    »Wo ist der Junge?«, fragte ich, und er räusperte sich und wollte ausspucken, erinnerte sich dann aber, dass sein Jarl vor ihm stand. Ich konnte es ihm nachfühlen, es musste ihm schwerfallen, zu akzeptieren, dass ein solcher Jüngling sein Herr war, denn ich brauchte nicht in den Spiegel zu sehen, um zu wissen, wie ich aussah.
    Ein schmales Gesicht, den Bart gestutzt, mit blauen Augen und Haaren von einer Farbe wie das Farnkraut im Herbst, das zu mehreren Zöpfen geflochten und zurückgebunden war und auf Schultern fiel, die für einen Jugendlichen von knapp einundzwanzig Jahren auffallend muskulös waren.
    Diese Schultern und die breite Brust sprachen von hartem Rudern und von Schwertkämpfen. Selbst ohne die verräterischen Narben auf den Knöcheln, die den Umgang mit Schild und Schwert verrieten, sah man, dass dieser Jüngling ein gestandener Mann war.
    Zudem war er wohlhabend und weit gereist, mit einer Halskette aus Silbermünzen aus Serkland, mit einem Loch versehen und auf einer Lederschnur aufgereiht, mit einem schönen silbernen Odinsamulett als krönendem Abschluss: den drei verschlungenen Dreiecken des Valknut, ein gefährliches Zeichen. Diejenigen, die es trugen, neigten dazu, einer Laune des Einäugigen zum Opfer zu fallen.
    Ich besaß auch ein ausgezeichnetes Schwert und mehrere gute silberne Armringe, außerdem natürlich den dicken geflochtenen Silberreifen, das Wahrzeichen des

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