Drachenbraut
so nah, und er blinzelte verwirrt.
«Mann, ein Spasmolytikum wäre nicht schlecht gewesen. Ihre Muskeln haben sich so stark verkrampft, ich dachte schon, Sie verrecken mir.»
Sie atmete hörbar aus und verlagerte ihr Gewicht auf ihm vorsichtig nach hinten. Reflexartig griff er nach ihren Händen. Wenn sie ihn jetzt losließ, würde sein Kopf explodieren. Dessen war er sich sicher.
Er wollte sie festhalten, sie ganz nah bei sich halten, aber sie entwand sich geschickt seinen geschwächten Armen. Instinktiv biss er die Zähne aufeinander, hielt den Atem an und verkrampfte sich erneut, um auf die nächste Woge der Pein vorbereitet zu sein, aber der Schmerz blieb aus. Langsam entspannte er sich und atmete vorsichtig aus.
Nach einem Moment legte sie ihm die Handflächen auf die Brust und schlagartig wurde seine Sicht glasklar. Er landete in der Realität, als wäre nichts gewesen. Die körperliche Schwäche fiel von ihm ab. Weder zitterte er wie sonst nach diesen Anfällen am ganzen Körper, noch gab es den altbekannten Schmerz in seiner Brust. Nichts.
«Welcher Tag ist heute?», brachte er mühsam hervor.
Seine Stimme klang schrecklich. Wenigstens das war wie immer.
«Tag?» Sie runzelte die Stirn und rutschte seitlich von ihm herunter. «Sie liegen hier seit zwei Stunden. Zwei elend lange Stunden kann ich Ihnen sagen.»
Das war unmöglich. Er brauchte verdammt viel Zeit, um sich von den Anfällen zu erholen. In der Regel Tage. Tage, in denen er mehr tot als am Leben war, wie Trinidad es einmal sehr treffend auf den Punkt gebracht hatte. Verwirrt schloss er die Augen und spürte noch einmal genau nach.
Er fühlte sich gut. Ruhig. Die Bestie war wieder friedlich und hatte sich offenbar in irgendeinen versteckten Winkel seiner Seele zurückgezogen und beobachtete zufrieden die Situation. Was sie ausgesprochen selten tat, schon gar nicht nach den Anfällen. Dann traf es die Umschreibung «kurzfristig niedergekämpft» eher.
«Was war das?»
Ihre Hand wanderte zu seinem Hals. Er beobachtete ihre sich nähernden Finger und wartet auf das Einsetzen der Abwehrreflexe. Denn eine Hand, die Richtung seines Halses unterwegs war, deutete sein vegetatives Nervensystem als Erstschlag, was zur sofortigen Abwehr führte. Und das brutal, hart und aggressiv.
Aber als ihre Finger sich sanft auf seine Halsschlagader legten, blieb der Impuls aus. Stattdessen regte sich seine zweite Natur in ihm und gab etwas von sich, was fast als zustimmendes Brummen durchging. Ihre kühlen Fingerspitzen ruhten immer noch auf der Haut zwischen Kiefergelenk und Schlüsselbein. Das in ihm lauernde Ungetüm schien sich nicht nur sehr wohl zu fühlen, es verlangte nach mehr. Mehr Nähe. Mehr Körperkontakt.
Valentin schnappte nach Luft und rollte sich blitzartig zur Seite. Neben dem Bett kam er auf die Füße. Wer war diese Frau? Was auch immer sie war, sie war weit außerhalb des ihm Bekannten. Diese Frau verstörte ihn.
«Also, was war das?»
Langsam zog sie die Hand zurück, die nach seinem Manöver in der Luft hing. Sein spontaner Positionswechsel schien sie nicht weiter aus der Fassung gebracht zu haben.
«Nichts war das», murmelte er und lehnte sich mit dem Oberkörper gegen die Wand hinter ihm. Wenigstens seine Beine hielten sich an die üblichen Spielregeln und zitterten.
«Okay, ein Nichts mit kurzfristigen Atemaussetzern und einem Puls von 210?» Sie hob zweifelnd eine Augenbraue. «Werden Sie die kommenden Stunden überleben?»
Sie sah ihn jetzt wieder direkt an. Ihre Augen waren von einem seltsam strahlenden Grün und ganz zarte Sommersprossen verteilten sich über ihr hübsches Gesicht. Wieder regte sich das Wesen in ihm. Wollte zurück aufs Bett. Näher zu ihr.
«Vermutlich ja.»
Seine Stimme klang überzeugter, als er sich fühlte. Sein Körper schien weniger Probleme zu haben in den Normalmodus zurückzukehren als seine Seele.
Sie kam geschmeidig auf die Füße und stand keinen Meter entfernt vor ihm. Aufmerksam betrachtete sie ihn.
«Dann gute Nacht, Herrchen von Oskar. Falls Sie noch einmal Beistand brauchen – meine Zimmernummer ist die 232.»
Mit diesen Worten drehte sie sich auf dem Absatz um. Er sah ihrer schlanken Gestalt hinterher, wie sie mit energischen Schritten durch die Schlafzimmertür verschwand. Verwirrt setzte er sich auf die Bettkante. Dieses Gefühl kannte er nicht besonders gut. Er war grundsätzlich nicht verwirrt, und es fühlte sich nicht gut an.
Kapitel 5
Sie hatte geglaubt, das mächtigste
Weitere Kostenlose Bücher