Drachenbraut
gehalten. Der Traum war derselbe wie immer gewesen. Sie träumte ihn seit Jahren jede Nacht. Das war durchaus angenehm, denn es war ein wirklich guter Traum. Er hatte ihr viele Male Ruhe geschenkt.
Aber wieso hatte sie jetzt das gleiche Empfinden in den Handflächen wie heute Nacht, als ihre Hände auf dem glühend heißen Körper des Mannes gelegen hatten? Und auch dieses zarte Gefühl des Erkennens schlich sich wieder in ihren müden Kopf. Was auch immer es ihr mitteilen wollte, sie hatte dafür jetzt keine Zeit.
Energisch schwang sie die Füße aus dem Bett und murmelte leise: «Mist!»
Entweder sie bekam jetzt umgehend einen klaren Kopf oder der Rat würde sie in Stücke reißen. Das Tribunal tagte in genau einer Stunde und sie wollte auf keinen Fall zu spät kommen. Vehement verbannte sie alle weiteren komplizierten Gedanken und machte sich daran, die Spuren der zu kurzen Nacht aus ihrem Gesicht zu tilgen.
Eine knappe halbe Stunde später lief sie schnellen Schrittes durch die mit dickem Teppich ausgelegten Flure in Richtung des Brandenburgzimmers. Ihr Herz pochte und sie spürte ihr Blut hektisch durch die Adern rauschen.
Das Tribunal des Magischen Rates war machtvoll und einschüchternd. Die absolute Autorität in der magischen Welt. Sie wusste, wie diese Sitzungen üblicherweise abliefen, das machte es ein wenig leichter für sie. Trotzdem spürte sie einen kleinen brennenden Punkt im Magen erwachen. Auch wenn sie es mit ihrer Professionalität überspielen konnte, der Magische Rat machte ihr Angst.
Sie folgte dem Gang, der einen Knick machte, und blieb überrascht vor den schweren, doppelflügeligen Türen des Brandenburgzimmers stehen. Zwei Ratsmitglieder, die Hexe Caroline Heppner und der Gnom Eduard Konnternontix, standen direkt davor, dicht beieinander, offensichtlich tief im Gespräch versunken.
Verstohlen warf sie einen Blick auf ihre Armbanduhr. Es war exakt zwei Minuten vor acht. Üblicherweise saß der gesamte Rat um diese Zeit hinter den geschlossenen Türen und wartete auf die Delinquentin.
«Guten Morgen», sagte sie höflich, nachdem die beiden nicht auf ihr Eintreffen reagiert hatten.
Nach einem kurzen Moment des Zögerns wandte Caroline Heppner sich ihr zu. «Guten Morgen.»
Den gehetzten Ausdruck ihrer Augen überspielte sie mit einem kurzen Lächeln, dann deutete sie mit einer eleganten Handbewegung zur Tür. «Bitte, gehen Sie doch schon vor.»
Josefine nickte Eduard Konnternontix zu, der wie immer knapp an ihr vorbeisah, und machte einen kleinen Bogen um die beiden Ratsmitglieder, um zur Tür zu gelangen. Ohne zu klopfen, schließlich wurde sie erwartet und hielt somit jede Form, um Einlass zu bitten, für übertriebene Höflichkeit, betrat sie den großen Raum.
Sieben schwere Ledersessel standen im Halbkreis um einen einfachen Holzstuhl herum. Der übliche Aufbau bei den ihr bekannten Prozessen. Sie zog die schwere Tür wieder hinter sich ins Schloss und blieb einen Moment unschlüssig stehen. Etwas war heute anders. Abgesehen davon, dass zwei Ratsmitglieder vor der Tür standen. Die Luft schien vor Anspannung zu vibrieren.
Sie atmete einmal tief durch und versuchte sich, auf ihre eigene Nervosität zu konzentrieren, aber es gelang ihr nicht. Die Energie im Raum lud sie zusätzlich auf, und dass weder der Ratsvorsitzende, der am Ende des Raumes mit dem Rücken zu ihr stand, noch Hornet auf ihr Erscheinen reagierten, machte das Ganze nicht besser.
«Guten Morgen.»
Ihre Stimme hatte ein kleines Zittern, das aber, so hoffte sie, nur spür- und nicht hörbar war. Allerdings fingen in diesem Moment auch ihre Knie an, ein Eigenleben zu führen. Kurzerhand steuerte sie den Anklagestuhl an, um sich darauf fallen zu lassen.
Hornet, wohl das exzentrischste Mitglied des Rates, saß nur wenige Meter entfernt auf einem der Ledersessel und hatte die Bikerstiefel vor sich ausgestreckt. In der rechten Hand hielt er eine geöffnete Coladose. Seine blonden Haare trug er neuerdings als Irokesenschnitt und sein Zungenpiercing klirrte leise am Metall der Dose, als er erneut einen Schluck nahm. Die Lederjacke und die schwarzen Handschuhe, die er immer trug – Gott wusste warum –, passten hervorragend zu seinem Badboy-Image. Magisch hingegen war er für sie völlig undefinierbar. Und nicht nur für sie, wenn man den wilden Geschichten glaubte, die über ihn die Runde machten.
«Guten Morgen, Dr. Rosenberg.»
Seine Worte klangen gelassen, aber das war nur eine Fassade. Hinter seinen blauen
Weitere Kostenlose Bücher