Drachenbraut
eine befasste sich mit der sonderbaren Angst, die durch den Raum zu schleichen schien. Der Magische Rat hatte bisher mit nahezu allen Bedrohungen gut umgehen können. Sie hatten effektive und über die Jahrhunderte ausgereifte Strategien. Aber hier war definitiv zu viel Furcht im Spiel.
Und der zweite Gedanke galt Dr. Josefine Rosenberg.
Kapitel 6
Valentin war auf dem Weg zurück in seine Suite. Sein Smartphone gab ein dezentes Klingeln von sich und er warf einen Blick auf das Display. Unbekannter Teilnehmer. Er klemmte sich das Telefon zwischen Schulter und Ohr, während er in seinem Jackett nach der Zimmerkarte suchte.
«Ja?»
«Hallo, Schatz!», flötete eine wohlbekannte Stimme in sein Ohr.
Valentin verdrehte die Augen. Er hatte es in den vergangenen dreihundert Jahren nicht geschafft, seiner Ex-Frau diese abartige Begrüßungsfloskel abzugewöhnen. Endlich fand er die kleine Plastikkarte in der linken Innentasche.
«Trinidad.»
Ihr Elfenname war für die menschliche Zunge schlicht nicht zu formulieren. «Trinidad» kam dem Knäuel an Silben und Umlauten noch am nächsten.
«Wir müssen reden.»
Ihre Stimme wurde bei diesen Worten etwas leiser, und er verspürte den Drang, seinem Handy einen fragenden Blick zuzuwerfen. Trinidad war nie leise. Die einzigen Situationen, in denen sie etwas schweigsamer war als sonst, waren die Geburten ihrer vier Kinder. Und das auch nur notgedrungen, weil sie ihre Luft anderweitig hatte nutzen müssen.
Er öffnete die Tür und wehrte zeitgleich Oskars stürmische Begrüßung mit einer Hand ab. «Was ist los?»
«Es könnte sein, dass es ein Problem gibt.»
Ihre Stimme war jetzt noch leiser.
Valentin setzte sich auf die Bettkante. «Hab ich heute schon mal gehört. Also?»
«Es gibt ein Gerücht, nach dem ein Volk der Dunkelalben wieder auf der Bildfläche erschienen sei.»
Die Worte klangen flach.
«Das hat uns gerade noch gefehlt.»
Valentin kniff kurz die Augen zusammen.
«Ja, die Dunklen sind wie die Pest und Cholera der magischen Welt. Über ihren letzten Auftritt kann man ja in den Gesichtsbüchern nachlesen. Noch ein von ihnen angezettelter Weltkrieg oder eine menschenverachtende Diktatur fehlt uns gerade noch. Aber es ist nur ein Gerücht, verstanden? Keine verlässliche Quelle. Allerdings dachte ich, du solltest das wissen.»
In ihrer Stimme schwang Sorge mit. Eine Emotion, die sonst nicht zum üblichen Gefühlsrepertoire seiner Ex-Frau gehörte. Trinidad war sorglos und laut. Und abgesehen davon eine der mächtigsten Elfenköniginnen. Womit sie auch seine zuverlässigste Informantin der elfischen Welt darstellte. Das Elfenvolk war eigenbrötlerisch und ließ sich nicht gerne in die Karten gucken.
«Hast du mir zugehört?»
«Ja, meine Königin», sagte er leise und bediente sich ganz automatisch der alten Floskel, während er Oskar hinter dem verbliebenen Ohr kraulte.
«Lass den Quatsch. Du warst nie mein Untertan», fuhr sie ihn augenblicklich an. «Es wäre sehr schlecht für uns alle, wenn sie wieder da wären, richtig?»
Sehr schlecht war noch eine freundliche Untertreibung. Aber das war jetzt nicht der Moment, um negative Stimmung zu verbreiten.
«Mach dir keine Gedanken. Melde dich einfach, wenn du etwas hörst.»
Aus reiner Gewohnheit sandte er diesen Worten noch einen kleinen Schuss sanfter Seelenmanipulation hinterher. Sehr wirksam bei magischen Wesen nahezu jeglicher Couleur. Bei Trinidad löste der zarte Energieschub jedoch das glatte Gegenteil aus.
«Ich hasse es, wenn du das tust!», fuhr sie ihn an und schickte einen deftigen Fluch in ihrer unverständlichen Muttersprache hinterher.
«Sorry.»
Er musste unwillkürlich grinsen. Trinidads Seele ließ sich genau wie alle anderen Seelen betrügen, nur dass sie es häufig spürte. Was ein Grund war, warum die Verbindung zwischen ihnen überhaupt sinnvoll gewesen war.
Sie war eine der Wenigen, die nicht automatisch vor seiner Macht in die Knie ging. Diese Tatsache machte sie zu einem guten Sparringspartner, etwas, an dem es sonst in seinem Leben fehlte. Sie war sein Spiegel und reflektierte sein Verhalten. Unangenehm und lästig, aber durchaus dazu geeignet, die Bodenhaftung zu bewahren.
Aber auch der Grund, warum seine Manipulationsversuche meist ein ideales Mittel waren, jegliche Kommunikation zwischen ihnen sofort in einen eskalierenden Streit zu transformieren.
«Mistkerl», formulierte sie, jetzt wieder in bestem Deutsch, und legte kurzerhand auf.
Ja, die fünfundzwanzig Jahre
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