Drachenbraut
nicht bedeutete, dass der Rat das Unheil, das sie voraussagten, auch zuverlässig abwenden konnte. Es gab leider zu viele Beispiele, bei denen sie wussten, was passieren würde, aber tatenlos zusehen mussten. Manche Dinge ließen sich auch mit Macht nicht aufhalten. Die letzte Regung der Madronas war lange her.
Caroline nahm ein Blatt Papier entgegen, das ihr der Mann mit zittriger Hand reichte.
«Warten Sie draußen auf mich», murmelte sie leise.
Als die Tür hinter dem Botschafter ins Schloss gefallen war, entfaltete Caroline das Papier und starrte minutenlang schweigend auf die Worte und Sätze.
«Und? Was steht dort?»
Armands Stimme schien vor Anspannung zu vibrieren.
«Die Madronas haben ihre Botschaften bisher in einer alten Form des Ukrainischen übermittelt. Aber diese Worte scheinen Weißrussisch zu sein, irgendein alter und ich fürchte, recht seltener Dialekt. Ich werde Zeit brauchen, die Vorhersage präzise zu übersetzen. Bis jetzt konnte ich nur einzelne Worte erfassen, für die ich noch keinen Kontext habe.»
Caroline leckte sich nervös über die Lippen. Ihr Blick wanderte von der Decke über die schwere Holztür bis zu einem der Fenster neben ihm.
«Sie werden ja wohl in der Lage sein, uns wenigstens diese Worte mitzuteilen!», knurrte Armand angriffslustig.
Caroline drehte sich von ihm weg und hob abwehrend eine Hand. Ihre Magie flammte leise zischend auf.
«Was verstehen Sie bis jetzt?», kürzte Valentin das Ganze ab. Die aufkeimende Aggression gefiel ihm nicht.
«Es droht Gefahr», murmelte sie.
«Geht es ein klein wenig präziser?»
Hexen neigten dazu, niemals den wahren Punkt ihres Anliegens zu äußern. War vermutlich eine Berufskrankheit. Wer schon die Preisgabe des eigenen Namens für tödlich hielt, tat sich schwer damit, auf den Punkt zu kommen.
«Dem Rat droht Gefahr», sagte Caroline leise, offenbar tief versunken in die sich ihr bietende Aussicht. «Sehr viel mehr weiß ich noch nicht. Ich brauche für eine präzisere Übersetzung mehr Zeit.»
«Gefahr. Aha», mischte Hornet sich mit leiernder Stimme ein und ließ sich wieder auf seinen Sessel fallen.
Dem Rat drohte des Öfteren Gefahr, die Situation war also nicht ganz neu. Dass allerdings ein Ratsmitglieder nicht aufzufinden war, verschärfte die Sachlage.
Caroline schnellte herum und blickte Hornet starr in die Augen. Ihre Stimme war schneidend. «Es gibt keinen Vordruck, in den sie ihre Vorhersagen eintragen können, Hornet.»
Der so Angesprochene schloss mit einer abwertenden Grimasse die Augen. Mr. Gibbson schwieg wie immer, begann aber vor dem Kamin auf und ab zu gehen. Eduard blieb derweil bewegungslos in seinem Sessel sitzen. Eine seltsame Stille breitete sich im Raum aus.
Valentin verließ seinen Beobachtungsposten. Er setzte sich auf den Stuhl, auf dem Dr. Rosenberg zuvor gesessen hatte, und verschränkte die Arme vor der Brust. Das war alles nicht gut. Seine Sinne schärften sich. Die im Raum immer stärker werdende Verzweiflung hatte seine zweite Natur geweckt.
«Dann nehmen Sie sich die Zeit, aber tun Sie es jetzt», beschied Valentin und übernahm damit ohne ein weiteres erklärendes Wort das Kommando. «Armand, welche Wandler hast du geschickt, um nach Jenna zu suchen?»
Der Ratsvorsitzende sah ihn kurz an, senkte dann aber wieder den Blick. Auch wenn er von der ihm nach den alten Strukturen zustehenden Macht nicht allzu häufig Gebrauch machte, bestand kein Zweifel an Valentins Führungsanspruch in solchen Situationen. Er war älter und mächtiger als alle Ratsmitglieder, aber er liebte seine Freiheit und verspürte einen inneren Widerstand, von seine Macht nur für politische Zwecke zu nutzen.
«Clemens und seine Leute.»
Das war gut. Besser als jede Alternative. Clemens und seine schnelle Eingreiftruppe standen seit fast zwei Jahrhunderten in Diensten des Magischen Rates. Der Wandler ließ sich lenken und wusste sich in der menschlichen Welt zu bewegen ohne aufzufallen.
«Kontaktiere sie. Sie sollen uns laufend auf dem aktuellen Stand halten.»
Ungeschickt fummelte Armand ein flaches Handy aus seiner Hosentasche und verschwand im hinteren Bereich, während Caroline zügigen Schrittes den Besprechungsraum verließ.
Mehr konnten sie erstmal nicht tun. Bewegungslos blieb er sitzen. Sein Kopf begann damit, die verschiedenen Informationen zu verknüpfen und nach Anhaltspunkten zu suchen, was hier auf sie zukommen konnte.
Aber zwei Gedanken torpedierten seine Bemühungen, sich zu sortieren. Der
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