Drachenbraut
frei. «Meine Patienten», schrie sie die fesselnde Instanz in ihrem Rücken an. «Wir müssen sie rausbringen!»
Sie hörte weitere Schreie, Glas splitterte und regnete auf sie herab. Aber sie roch kein Feuer. Dafür griff ein fremdes Grauen nach ihrer Seele, tiefe Schwärze schien plötzlich überall zu sein.
«Die wollen Sie. Wenn Sie hier raus sind, wird niemandem etwas passieren.»
Seine Stimme drang wie durch Watte in ihre rasenden Gedanken. Sein Griff schnürte ihr die Luft ab und die altbekannte Panik der Klaustrophobie durchflutete sie.
«Sie müssen hier raus. Dann hört es auf.»
Jetzt erreichten seine Worte sie. Er hatte recht. Warum auch immer sie diese absolute Sicherheit verspürte, aber er wusste, was das war, und sie musste hier raus. Nur so konnte sie das Leben ihrer Patienten und Kollegen schützen.
Sie hörte panische Schreie aus den angrenzenden Zimmern. Aber das Auge des Orkans, der über ihnen tobte, lag direkt hier. Direkt über ihr. Augenblicklich gab sie jegliche Gegenwehr auf. Ihr Gesicht brannte von dieser fremden, bösartigen Energie, in deren Zentrum sie sich befand.
Schwarze Finger griffen nach ihr, sie spürte, wie schwarze Tentakeln durch ihren Körper tasteten, auf der Suche nach ihrer Seele. Dann war seine Macht wieder da. Diesmal durchdrang diese schützend Kraft anscheinend mühelos ihre Barrieren und zerstörte alles Böse. Seine Dominanz brannte wie Feuer durch ihre Adern.
Ein Schuss gelte durch den Flur, zeriss ihr fast das Trommelfell. Ein stechender Schmerz durchschoss sie, ebbte aber augenblicklich wieder ab und verschwand. In ihren Ohren piepte es lautstark und der nächste Schuss steigerte dieses Geräusch ins Unermessliche.
Im nächsten Moment flackerten die Leuchtstoffröhren über ihnen. Sie hatte erwartet, dass keine einzige mehr funktionstüchtig war, aber einige sprangen mit einem leisen Knacken tatsächlich wieder an und tauchten den Flur in ein unwirklichen Schimmer. Nach der Dunkelheit traf sie selbst dieses gedämpfte Licht wie ein Blitzschlag und sie blinzelte.
Die Scherben auf dem Gang glitzerten, einzelne Teile des beigen Wandputzes lagen direkt vor ihr auf dem jetzt staubigen Linoleumboden. Der Mann hinter ihr hielt sie immer noch fest in seinem Griff, dennoch konnte sie am Ende des Flures jemanden ausmachen. Sie hob ein wenig das Gesicht, um ihn besser erkennen zu können. Er trug grüne OP-Kleidung. Sie kannte ihn, er arbeitete irgendwo auf der Inneren. In seiner linken Hand hielt er eine schwarz glänzende Waffe.
Die direkt in ihre Richtung zielte.
Allerdings rührte er sich nicht vom Fleck, sondern starrte den Mann hinter ihr wie paralysiert an.
«Runter mit der Waffe!»
Die samtig weichen Worte galten dem Mann vor ihr, und gehorsam senkte er den Arm. In seinen Augen stand eine völlige Leere, die Josefine fast noch mehr Angst machte als die geladene Waffe, die auf sie gerichtet war.
«Sicher sie und dann leg sie auf den Boden.»
Mit steifen Bewegungen befolgte der Mann die Anweisung. Seine Macht wirkte zwar nicht bei ihr, aber bei ihm.
«Geh!»
Auf dem Absatz dreht der Mann sich um und verschwand hinter der Biegung des Flures.
«Und wir gehen jetzt auch», murmelte er ihr ins Ohr.
Seine Stimme durchdrang mühelos den Feueralarm und das stetige Piepen. Er zog sie mit sich auf die Beine. Seine Augen hatten das satte Braun verloren, hellgrüne Steifen schossen wie kleine Flammen durch seine Pupillen. Er strahlte plötzlich eine Andersartigkeit aus, die nicht mehr zu verschleiern war.
Er hielt sie fest, als er sie durch den Flur manövrierte, die Waffe an sich nahm und sie schlussendlich durch die Stahltür aus der Intensivstation schob. Sie ließ sich mitreißen von seiner Kraft. Fast dankbar für diesen Halt. Im letzten Moment griffen wieder die dunklen Tentakeln nach ihr, versuchten in sie zu dringen, doch diesmal konnte sie sich verschließen.
Im nächsten Augenblick standen sie im hell erleuchteten Flur der Klinik. Immer noch schrillte der Feueralarm, brannte tiefe Schneisen der Panik in die Seelen der Menschen, die hektisch dem Ausgang entgegenstrebten.
Der Mann ließ sie nicht los. Doch das Dunkle folgte ihnen nicht. Sobald sich die Feuerschutztür zur Intensivstation hinter ihnen geschlossen hatte, wurde die bösartige Energie förmlich abgeschnitten.
Sie folgten dem Gang, wichen immer wieder laufenden Menschen aus, bis er sie schließlich energisch in das Treppenhaus zum hinteren Parkplatz dirigierte.
«Ich bringe Sie hier
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