Drachenbraut
plötzlich eingetretene Stille. Jeder Muskel in Valentins Körper über ihr spannte sich an.
«Nein.»
Ein dritter Schuss gellte durch die Luft und schlagartig brach Oskars Gebell ab. Ihr Herzschlag setzte für den Bruchteil einer Sekunde aus. Sie verschluckte den Schrei, der ihr auf den Lippen lag. Oskar war dem Angreifer direkt vor die Füße gelaufen.
Valentin hielt sie weiterhin fest umklammert, sein Gesicht eine kalte Maske. In seinen Augen stand der Drache. Seine Macht brachte den Boden unter ihnen förmlich zum Erbeben. Er erhob sich und wandte sich der Gestalt zu.
«Nimm die Waffe runter!»
Die unermessliche Kälte in seiner Stimme jagte ihr einen Schauer über den Rücken. Seine Stimme war leise, fast unhörbar. Dennoch hatte sie keinen Zweifel, dass der Angesprochene tat, was ihm befohlen worden war. Valentin beherrschte seinen Willen mühelos, trotz seines geschwächten Zustandes.
Er reichte ihr seine Hand und zog sie auf die Füße. Der Mann stand mit hängenden Armen vor dem Eingang des Hauses. Sein Blick war leer.
«Die Alben hatten ihn in ihrer Gewalt. Ich hätte es wissen müssen.»
Valentins Stimme war brüchig, ein beängstigender Gegensatz zu der Macht, die ihn immer noch als pulsierendes Kraftfeld umgab.
Sie sah den blonden Mann an, der immer noch mit völlig abwesendem Blick die Waffe in der Hand hielt. Seine linke Hand hob sich langsam. Sie wollte schreien, doch im nächsten Moment zerriss der Schuss die Stille. Sie schloss fest die Augen, unfähig sich dem zweifelsohne schrecklichen Anblick zu stellen. Sie wusste, was ein Schuss aus nächster Nähe anrichtete. Zu oft hatte sie die Opfer seiner Gewalt unter ihren Händen sterben sehen. Erst ein gequält tiefer Atemzug von Valentin riss sie aus ihrer Starre.
Ein lebloser Körper lag zusammengekrümmt vor dem Treppenaufgang. Fassungslos stand sie einige Sekunden nur da, dann ging sie langsam zu dem Mann, unter dessen Kopf sich bereits jetzt eine große Blutlache ausgebreitet hatte.
Matthias war ein blonder hübscher Mann. Der Tod hatte die Gesichtszüge des Wandlers entspannt, seine blauen Augen starrten blicklos in die Ferne. Der Schuss, mit dem er sich selbst gerichtet hatte, hatte ihn mittig zwischen die Augen getroffen. Die Waffe, mit der er sie hatte töten wollen, lag jetzt nur wenige Zentimeter neben seiner ausgestreckten Hand, unter der akkurat gestutzten Buchsbaumreihe. Vermutlich Matthias letzte Handlung vor seinem gewaltsamen Ableben. Okay, bevor er versucht hatte, Valentin umzubringen.
Langsam drehte sie sich um. Valentin kniete neben Oskar. Sein Gesicht war grau vor Schmerz, den er hinter völliger Ausdruckslosigkeit versteckte, aber das Zittern seiner Hände konnte er nicht hinter dieser emotionslosen Maske verbergen.
«Das ist es, was die Dunkelalben mit den magischen Wesen machen. Sie machen willenlose Marionetten aus ihnen. Matthias war mein Freund.»
Sie ging langsam in seine Richtung und hockte sich auf die Fersen neben ihn, fassungslos von der Brutalität, die sie in das wahre Leben zurückgerissen hatte. Oskars Flanken hoben sich in einer kaum sichtbaren Bewegung. Aber die riesige Blutlache auf dem grauen Stein unter ihm zeigte ihr deutlich, dass das Leben des Hundes nur noch an einem seidenen Faden hing. Ein warmer Eisengeruch hing in der Luft. Ihr Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen.
Schnell legte sie dem Hund eine Hand auf den Brustkorb. Sie schloss die Augen und schickte ihre Gabe auf Reisen. Erst spürte sie gar nichts, außer der sich immer weiter ausbreitenden Kälte, dem steten Vorboten des bald eintretenden Todes. Langsam drang die subtile Kühle des erlöschenden Lebens in ihre Handflächen. Das zerfetzte Gewebe und die zerstörten Gefäße verursachten ein unangenehmes Kribbeln auf der Haut.
Oskars Herz schlug noch, wenn auch sehr schwach. In größter Eile ließ sie ihrer Gabe freien Lauf. Unkontrolliert und wild brach ihre Kraft aus ihren Handflächen, viel stärker, als sie es bis zu diesem Moment jemals erlebt hatte. Der Hund unter ihr zuckte zusammen, dann stabilisierte der Herzschlag sich augenblicklich und die Ohnmacht wich einem tiefen Schlaf. Ihre Handflächen fingen an zu glühen, als hätte sie sie in heiße Kohlen getaucht. Das stetige Pochen des kleinen Herzens pul sierte durch ihre Hände, ihre Arme, bis sie schlagartig die Hände zurückzog, weil die Empfindung übermächtig wurde.
Valentins leises Stöhnen riss sie aus dem Bann ihrer eigenen Gabe und sie fuhr zu ihm herum. Er
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