Drachenbraut
spüren, dass es dir schlecht geht. Jetzt hör auf mit dem Theater. Ich frage dich jetzt noch einmal: Was ist mit dir los?»
Sie war plötzlich wütend. Sehr wütend. Ihre Wut beeindruckte ihn. Vermutlich war das auch der Grund, warum er völlig ehrlich antwortete: «Ich weiß es nicht.»
«Das ist schon mal eine bessere Antwort als ‹nichts › », fuhrt sie ihn an. Das Funkeln in ihren Augen war also Wut. «Hattest du schon einmal solche Symptome? Können sie irgendetwas mit dem Anfall im Hotel zu tun haben?»
Ihre Stimme war scharf, während sie starr auf die Straße blickte. Dennoch war sie ganz in seine Richtung orientiert, hatte all ihre Sinneskanäle eingeschaltet. Er spürte, wie sie ihre Fühler nach ihm ausstreckte, spürte, wie ihre sonderbare Gabe sanft durch seine Wahrnehmung huschte.
Er schüttelte den Kopf. «Nein. Damit hat das nichts zu tun.»
Er überlegte einen Moment, soweit das mit seinem in Mitleidenschaft gezogenen Hirn überhaupt ging. Irgendetwas blitzte auf. Er bekam es erst nicht wirklich zu fassen, doch dann fiel es ihm ein.
«Der Unfall.»
Danach hatte diese körperliche Schwäche begonnen. Die Platzwunde an seiner Schläfe war zwar verheilt, aber schon dieser Selbstheilungsprozess hatte ihn mehr Kraft gekostet, als es üblich war. Konzentriert schloss er die Augen, versuchte bewusst den körperlichen Schmerz auszublenden, um hinter den Schleier seiner verschwundenen Erinnerung zu sehen.
«Der erste Angriff auf der Landstraße. Danach war mein Autodach nass. Allerdings nur das Dach. Mir ist etwas von dem Zeug in den Kragen getropft, als ich ausgestiegen bin.»
«Hat es nach irgendetwas gerochen?»
Er zuckte die Achseln, froh, wenigstens diese wenigen Informationen aus seinem Kopf herausbekommen zu haben. Jedoch schien Josefine das anders zu sehen. Sie zog den Wagen in einer abrupten Bewegung nach rechts und donnerte mit nahezu unverminderter Geschwindigkeit über die Ausfahrt, die plötzlich aufgetaucht war. In der Kurve zum Parkplatz trat sie hart auf die Bremsen und drosselte die Geschwindigkeit. Die Räder quietschten unwillig.
«Bist du irre?», fragt er wirklich entsetzt, während sie den Wagen ungerührt an zwei parkenden Lkws vorbeisteuerte und direkt hinter einem dicht belaubten Baum parkte.
Wortlos ließ sie den Gurt aufschnellen, drehte sich zu ihm herum und presste ihm mit Nachdruck beide Hände auf die Brust. Mit einem letzten düsteren Blick schloss sie die Augen und biss sich in höchster Konzentration auf die Unterlippe.
Er hielt ganz still. Erst jetzt begriff er, was sie vorhatte. Ihre unbändige Energie kreiste durch seinen Körper. Er spürte ihre Wärme, die sich langsam in seinem Nervengeflecht ausbreitete. Spürte, wie sich sein Herzschlag erhöhte und der Drache ob dieser so plötzlich geschenkten Nähe zur Ruhe kam. Für einen Moment vergaß er den Schmerz. Für einen kurzen Moment vergaß er alles um sich herum. Er spürte in der sanften Wärme ihrer Berührung, wie auch ihr Puls sich erhöhte.
Gänzlich unerwartet öffnete sie die Augen, und er versank in der strahlenden Intensität ihres Blickes. Die Sekunden verstrichen, bewegungslos verharrten sie. Dann drehte sie den Kopf, entzog sich ihm und ging in Deckung hinter der kühlen Professionalität ihres Berufes.
«Dein Körper versucht, sich selbst zu heilen.»
Ihre nüchterne Stimme holte ihn zurück in die Realität. Sie löste ihre Hände von seiner Brust, dennoch fühlte er ihren Widerwillen. Er spürte, dass auch sie diese Nähe genossen hatte.
«So fühlt es sich an», stimmte er leise zu.
Der Nachhall dieses Momentes schwang noch in seinen Adern und er räusperte sich.
«In deinem Organismus ist irgendetwas, was da nicht hingehört. Was diesen Selbstheilungsprozess auslöst. Immer und immer wieder aufs Neue.»
Das war eine sehr präzise Erklärung für seinen Zustand. Ihre Gabe schien ihr recht kategorische Rückschlüsse zu ermöglichen. Unter anderen Umständen hätte ihn das vermutlich beeindruckt. Jetzt allerdings war es ihm fast egal, er wollte ihre Hände auf seiner Brust spüren. Sie hatten den Schmerz mit sich genommen.
«Ich weiß allerdings nicht, was das ist.»
Frustration stand ihr in das hübsche Gesicht geschrieben. Sie hatte die Lippen fest aufeinandergepresst und die Augen geschlossen, als spürte sie den Empfindungen in ihren Händen nach.
«Ich habe das schon einmal gespürt. Aber ich weiß nicht mehr wo, geschweige denn, was das war.»
Sie ließ sich wieder auf
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