Drachenei
auf das Übersetzungsgelände. Ihre drei Lehrlinge waren eifrig dabei, eine vom Computer besorgte Übersetzung eines Cheela-Textes über Physiologie in die Menschensprache zu überprüfen. Auch wenn der Computer gute Arbeit leistete, kam es doch oft vor, dass die wörtliche Übersetzung eines Satzes schlecht oder gar nicht verständlich war. Man brauchte schon einen erfahrenen Kenner menschlicher Kultur, um den Satz in der Menschensprache so umzuformulieren, dass er die Bedeutung des Originals genau wiedergab. Klardenker, der älteste Lehrling, spürte die von der Sohle Schwebenden Kristalls erzeugten Vibrationen. Er wandte ihr ein paar seiner Augen zu.
» Erinnere mich in drei oder vier Dutzend Umdrehungen daran, eine günstige Stelle für die Unterbrechung des Datenstroms zu suchen«, wies Schwebender Kristall ihn an. » Die Menschen müssen den Kristall wechseln.«
» Die Sendung dieses Buches über Physiologie, das wir im Augenblick übersetzen, wird etwa drei Dutzend Umdrehungen in Anspruch nehmen«, erwiderte der Lehrling. » Es sind viele Bilder dabei, deshalb ist die Anzahl an Bits ziemlich hoch, aber länger wird es trotzdem nicht dauern – selbst dann nicht, wenn man die geringe Bit-Zahl berücksichtigt, die die menschlichen Empfänger aufnehmen können.«
» Gut«, sagte Schwebender Kristall. » Unterbrecht, wenn der Text zu Ende ist.«
Sie kehrte in den Kommunikationsraum zurück und entwarf vor den Kameras ihre Antwort. Der Computer speicherte ihre Darbietung und spielte sie zur Überprüfung wieder ab – erst auf dem langen dünnen visuellen Schirm, der nur ihren vorderen Rand und ihre Augen zeigte, dann auf dem auf das Sehvermögen der Menschen abgestimmten rechteckigen Schmeckschirm. Die Kameras für diesen Schirm blickten schräg auf sie herab und zeigten ihren ganzen flachen Körper mit dem Ring von Augen um den Rand. Schwebender Kristall konnte die Ausbuchtung nahe dem Mittelpunkt sehen, die ein Ei war, und stellte müßige Überlegungen darüber an, ob es von Klardenker oder von Bit-Zermalmer stammte. » Nicht dass es eine Rolle spielte«, sagte sie zu sich selbst. » Aber es sieht ganz so aus, als könnte ich es bald bei den Alten im Eiergehege abgeben.«
» Ich finde das immer noch fast obszön«, murmelte sie, als sie ihr Abbild auf dem Menschen-Schirm betrachtete. » Niemand außer Liebhabern, Computern und Menschen bekommt jemals meine Oberseite zu sehen.«
Ihre erste Darbietung gefiel ihr nicht, und sie wiederholte sie mehrmals, bis die Botschaft kurz, aber klar war. Dann stellte sie den Computer darauf ein, sie mit für menschlichen Empfang berechneter Langsamkeit abzusenden, sobald Amalita ihren Satz beendet hatte.
Da eine lange Unterbrechung bevorstand, konnte in der Zwischenzeit viel Arbeit erledigt werden. Sie setzte sich mit den Kommunikationsingenieuren in Verbindung und teilte ihnen mit, dass die altersmüde Antenne bald ersetzt werden könne. Sie waren begeistert, dass sie die Wartung hintanstellen und sich den neuen Aufgaben des Entwerfens und Bauens widmen konnten. Schwebender Kristall schmeckte beinahe den Eifer aus dem Abbild des Chefingenieurs heraus.
Dann rief sie den Beirat der technischen Kommunikation zu einer Konferenz zusammen. Es war schon über die Möglichkeit einer Expedition zu den Menschen gesprochen worden, aber da damit eine Menge direkter Kommunikation verbunden war, hatte man die Besprechung bis zur nächsten Unterbrechung des Datenstroms verschoben.
Ein Dutzend Umdrehungen später versammelten sich die Mitglieder des technischen Beirats. Sie hörten den Gravitationsingenieuren zu, die die letzten Ergebnisse ihrer Versuche über Gravitationskontrolle und Trägheitsantriebe erklärten. Der Trägheitsantrieb würde es ihnen ermöglichen, den heimatlichen Neutronenstern, auf dem die Fluchtgeschwindigkeit 39 Prozent der Lichtgeschwindigkeit betrug, zu verlassen. Doch der gefährlichste Teil eines Weltraumflugs war die explosive Dekompression neutronischer Materie (einschließlich der neutronischen Materie, aus der der Raumfahrer bestand!), wenn sie nicht mehr von dem Gravitationsdruck des Sterns zusammengehalten wurde. Jetzt waren die Ingenieure überzeugt, dass sie beide Probleme gelöst hatten.
Den meisten Konferenzteilnehmern fiel es schwer zu begreifen, dass feste Stoffe wie die harte kristalline Kruste ihres heimatlichen Neutronensterns oder ihre ebenso zähen, wenn auch geschmeidigen Körper nicht stabil waren. Doch Tatsache war, dass sie sich,
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