Drachenei
Plan der Cheela war sehr genau und ausführlich, denn sie hatten schon vor langer Zeit eine vollständige Beschreibung des Schiffs Drachentöter erhalten.
Amalita ließ von dem gesamten Text einen Ausdruck für Pierre machen und wandte sich dem Zeichentrickfilm zu. Er zeigte sie selbst an der Konsole und Pierre in der Nähe eines Fensters. Dann traf das Schiff der Cheela vor dem Fenster ein. Amalitas Abbild erhob sich von dem Sitz, hob die Arme, drehte sich und fiel wie eine ungeschickte Ballerina auf das rechte Sichtfenster zu. Pierre drückte währenddessen seine Nase gegen das Glas eines zweiten Fensters. Ein Ausschnitt zeigte, dass sich weniger als einen Meter von seiner Nase entfernt ein winziger Fleck mit ein paar Millimetern Durchmesser befand, und auf diesem Fleck saß ein Cheela – ohne Raumanzug – ohne Druckbehälter – ohne irgendetwas, das sein Explodieren verhindern konnte.
Schnell las Pierre die Instruktionen durch. Dann sahen sie sich beide nochmals den Zeichentrickfilm an und schüttelten den Kopf über die Bewegungen der Figuren. Sie wirkten irgendwie behindert, als würden sie in Erdschwerkraftsimulatoren statt im gewohnten freien Fall ausgeführt.
Sie lasen weiter, und dann wurde ihnen klar, warum die Bewegungsabläufe so wenig Anmut hatten. Um im Raum zu überleben, mussten die Forscher der Cheela ihre Schwerkraft mitnehmen. Ihr Raumfahrzeug war eine harte kristalline Kugel von ungefähr vier Zentimetern Durchmesser mit einem ziemlich » großen« Schwarzen Loch im Mittelpunkt. Bei 11 Milliarden Tonnen Masse sorgte das Schwarze Loch für 180 000 g an der Oberfläche der Kristallsphäre. Das war zwar weit von den 67 Milliarden g entfernt, die auf der Oberfläche des Neutronensterns herrschten, aber es war doch genug, um ihre Elektronenstruktur in ihrer degenerierten Form zu erhalten. Dazu kamen kleinere Raumfahrzeuge für einzelne Cheela und Ausrüstungsgegenstände. Für jedes davon genügte ein winziges Schwarzes Loch. Die kleineren Schiffe hatten unabhängige Energie- und Antriebssysteme, und der ganze Schwarm passte sauber in die halbkugelförmige Kuhle auf der Oberfläche des Mutterschiffs.
» Trägheitsantrieb!«, rief Pierre aus. » In unserer letzten Schicht haben wir sie Newtons Gravitationsgesetz gelehrt. Heute haben sie Trägheitsantriebe! Was werden sie morgen haben?«
» Wahrscheinlich werden sie imstande sein, Raum und Zeit zu beherrschen, und sich nicht mehr mit so unwirksamen Dingen wie aus Schwarzen Löchern bestehenden Schwerkraftgeneratoren und Trägheitsantrieben behelfen müssen«, erwiderte Amalita. » Aber jetzt verstehe ich, warum wir in dem Zeichentrickfilm als so schwerfällig dargestellt werden. Ihr Mutterschiff wird sich fünfzehn Meter vom Drachentöter entfernt aufhalten, aber es hat eine solche Masse, dass es uns mit etwa einem Drittel g versorgen wird. Das zieht mich von meinem Stuhl hinüber an das Sichtfenster. Ich glaube, ich werde es fertigbringen, mich im Fallen einmal zu drehen, damit sie die menschlichen Gelenke in Tätigkeit sehen, aber ich wette, bei einem Drittel g werde ich noch unbeholfener wirken als in dem Zeichentrickfilm.« Sie wandte sich von dem Schirm ab und sah Pierre an. » Ich wünschte, du würdest meine Rolle übernehmen, und ich könnte den Cheela sehen.«
» Ich weiß nicht, ob es dir gefallen würde«, schmunzelte Pierre. » Sieh dir die Zeichnung des Gravitationsfeldes um das Einzelfahrzeug an. Obwohl Größe und Masse der kleinen Flitzer viel geringer sind als die des Mutterschiffs, wird dieses eine weniger als einen Meter von meinem Sichtfenster entfernt sein, und an meiner Nase wird mit drei g gezupft!« Er blickte auf ihren Körper nieder und grinste. » Ich glaube, sie haben dich nicht gewählt, weil sie wissen, dass du im freien Fall keinen Büstenhalter trägst, und sie dich nicht in Verlegenheit bringen wollten.«
Amalita knuffte ihn mit dem Ellenbogen, drehte sich wieder dem Schirm zu und füllte ihn mit den nächsten Instruktionen. » Du kennst den Grund, warum sie dich gewählt haben, ganz genau. Es ist das einzige Mal, dass sich unsere beiden Zivilisationen körperlich so nahe kommen, und da wollten sie für das Interview den berühmtesten wissenschaftlichen Autor der Erde. Wie viel Zeit wird dir zur Verfügung stehen?«
Pierre sah in dem Plan nach, den die Cheela heraufgesandt hatten. » Er wird für ungefähr eine Sekunde an dieser Stelle bleiben und versuchen, sich solange wie möglich nicht zu bewegen, damit
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