Drachenelfen
Iridal, eine Legion würde Euch nichts nützen…«
»Ich will keine Legion. Ich will einen Mann,
der eine ganze Legion aufwiegt. Er ist der Beste. Ihr selbst habt es gesagt.
Wenn ich nicht irre, habt Ihr einst Euer ganzes Königreich nach ihm abgesucht,
um ihn schließlich vor dem Beil des Henkers zu retten. Ihr wißt über seine
Vorzüge besser Bescheid als irgend jemand sonst, denn Ihr habt ihn angeworben –
für einen sowohl gefährlichen als auch äußerst delikaten Auftrag.«
Stephen starrte die Sprecherin von Grauen
erfüllt an, Trian beunruhigt und perplex. Anne ließ Iridals Hand los; vor
Schuldbewußtsein stumm, schrak die Königin in ihrem Sessel zurück.
Iridal erhob sich. Stolz und gebieterisch stand
sie vor dem König. »Ihr habt diesen Mann bezahlt, um meinen Sohn zu ermorden.«
»Beim Sehen der Ahnen!« rief Stephen heiser aus.
»Habt ihr Mysteriarchen das Geheimnis entdeckt, die Toten zum Leben zu
erwecken?«
»Wir nicht«, antwortete Iridal leise. »Wir
nicht. Und ich bin dankbar dafür. Es ist eine furchtbare Gabe.«
Sie schwieg einen langen Augenblick, doch als
sie wieder den Kopf hob, hatte sie die versonnene Stimmung abgeschüttelt und
wirkte sehr geschäftsmäßig und bestimmt. »Habe ich Eure Erlaubnis, mein Glück
zu versuchen? Ihr verliert nichts dabei. Wenn ich scheitere, ist keiner darum
klüger. Meinen Freunden werde ich sagen, daß ich ins Hohe Reich zurückkehre.
Ihr könnt ihnen zu gegebener Zeit mitteilen, daß ich dort gestorben bin. So
fällt keine Schuld auf Euch. Gewährt mir vierzehn Zyklen, Majestät, mehr
verlange ich nicht.«
Stephen erhob sich und begann mit hinter dem Rücken
verschränkten Händen auf und ab zu gehen. Dann blieb er ruckartig stehen,
musterte Trian. »Nun, was sagt Ihr dazu, Hofmagus? Gibt es keine andere Möglichkeit?«
»Keine, die auch nur im geringsten erfolgversprechend
wäre. Es ist so, wie Lady Iridal sagt, Sire. Wir haben nichts zu verlieren und
viel zu gewinnen. Wenn sie gewillt ist, das Risiko auf sich zu nehmen…?«
»Das bin ich, Majestät«, warf Iridal ein.
»Dann rate ich Euch, ja zu sagen.«
»Und meine Königin?« Stephen schaute seine Gemahlin
an. »Was meinst du?«
»Wir haben keine Wahl«, erwiderte Anne mit
gesenktem Kopf. »Wir haben keine Wahl. Und eingedenk dessen, was wir getan
haben…« Sie deckte die Hand über die Augen.
»Einen Assassinen angeworben, um den Jungen zu
töten? Das haben wir getan, weil wir keine andere Wahl hatten«, sagte
Stephen schroff. »Nun gut, Lady Iridal. Vierzehn Zyklen. Nach Ablauf dieser
Frist treffen wir uns mit Prinz Rees’ahn bei den Sieben Feldern, zu abschließenden
Verhandlungen über den Zusammenschluß unserer Streitkräfte und um den Sturz
des Tribusimperiums zu planen. Sollte Gram sich zu der Zeit noch in der Gewalt
der Elfen befinden…«
Er seufzte tief und schüttelte den Kopf.
»Seid unbesorgt, Majestät«, sagte Iridal. »Ich
werde Euch nicht enttäuschen. Diesmal lasse ich meinen Sohn nicht im Stich.«
Sie stand auf und verneigte sich vor dem Herrscherpaar.
»Ich begleite Euch hinaus, Mylady«, erbot sich
Trian. »Es ist sicherer, wenn Ihr wieder den geheimen Ausgang benützt. Je
weniger von Eurem Hiersein wissen, desto besser. Wenn die Majestäten…«
»Ja. Geht nur.« Stephen fuhr ungeduldig mit der
Hand durch die Luft. Bevor Trian sich zum Gehen wandte, warf er ihm einen
bedeutungsvollen Blick zu. Trian senkte die Augen, zum Zeichen, daß er
verstanden hatte.
Magus und Mysteriarchin verließen das Zimmer.
Stephen setzte sich, um die Rückkehr Trians abzuwarten.
Die Fürsten der Nacht breiteten ihre Mäntel über
den Himmel. Der Schimmer des Firmaments verblaßte. Das Zimmer, in dem König und
Königin schweigend saßen, wurde dunkel. Keiner von beiden machte Anstalten,
Licht anzuzünden. Ihren düsteren Gedanken schmeichelten die nächtlichen
Schatten.
Eine Tür öffnete sich leise, eine geheime Tür in
der Rückwand des Arbeitszimmers, kaschiert durch ein Wandgemälde. Trian kam
herein, in der Hand eine brennende Laterne.
Stephen blinzelte und beschirmte die Augen mit
der Hand. »Mach das aus«, befahl er.
Trian gehorchte, und Stephen ließ die Hand
sinken. In seinem Gesicht spiegelte sich mühsam beherrschte Erregung. »Sie
selbst hat uns gesagt, Hugh Mordhand wäre tot. Sie hat uns beschrieben, wie er
gestorben ist.«
»Offenbar hat sie gelogen. Oder sie ist
verrückt. Und das glaube ich nicht. Ich glaube
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