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Drachenelfen

Titel: Drachenelfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Weis , Tracy Hickman
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verschluckt. Als notwendiges Übel akzeptiert,
war es der Stimme der Außenwelt erlaubt zu sprechen, aber nicht zu singen.
    Ein knirschendes Geräusch. In der Tür erschien
eine Öffnung, darin ein Auge.
    »Wo ist die Leiche?« fragte eine Stimme
gleichgültig.
    Iridal zuckte zusammen. Die Worte erschienen ihr
wie ein unheilvolles Omen, beinahe wäre sie in ihrem Entschluß wankend
geworden und umgekehrt. Aber die Vernunft siegte. Sie rief sich ins Gedächtnis,
was sie über die Kir wußte und daß diese Frage – so erschreckend für sie –
alltägliche Gewohnheit der Mönche war.
    Die Kir verehren den Tod. Sie betrachten das
Leben als eine Art Jammertal, das man ertragen muß, bis die Seele entfliehen
kann, um anderswo Frieden und Glück zu finden. Deshalb fühlen die Kirmönche
sich nicht berufen, den Lebenden zu helfen. Sie pflegen nicht die Kranken,
erquicken nicht die Hungernden, verbinden nicht die Wunden der Krieger. Statt
dessen erweisen sie den Toten die letzte Ehre und feiern die Erlösung einer
Seele vom irdischen Joch. Auch der gewaltsame Tod hat für sie keine Schrecken.
Sie nehmen sich des Opfers an, wenn der Mörder sein Werk getan hat. Sie
wandern über die Schlachtfelder, wenn die Schlacht geschlagen ist. Sie betreten
das Dorf, in dem die Seuche wütet, wenn alle anderen geflohen sind.
    Der einzige Dienst der Kir an den Lebenden
besteht darin, daß sie unerwünschte Kinder aufnehmen, ausschließlich Jungen:
Waisen, Bastarde, dritte und vierte Söhne. Auf diese Weise sichert man den
Fortbestand des Ordens.
    Die Frage, die der Mönch Iridal gestellt hatte,
stellte er jedem, der zu nächtlicher Stunde die Glocke läutete. Welch anderen
Grund hätte es gegeben, sich den düsteren Mauern zu nahen?
    »Ich komme nicht wegen eines Toten«, antwortete
Iridal, die ihre Fassung wiedergewonnen hatte. »Ich komme wegen eines
Lebenden.«
    »Ein Kind?«
    »Ja, Bruder, ein Kind.« Wenn auch nicht so, wie
du es meinst, fügte sie in Gedanken hinzu.
    Das Auge verschwand. Der kleine Schieber in der
Tür aus gebranntem Ton wurde knirschend geschlossen. Die Tür ging auf. Der
Mönch stand daneben, das Gesicht verborgen im Schatten der schwarzen Kapuze.
Er verneigte sich weder, noch grüßte er oder bezeigte nennenswertes Interesse
an der späten Besucherin. Sie lebte, und die Lebenden galten den Kir nicht
viel.
    Der Mönch drehte sich um und überließ es ihr,
ihm zu folgen oder nicht. Er führte sie in einen großen, kahlen Raum nah beim
Eingang. Hier drinnen war es dunkler als im Freien, wo das Koralit seinen
bleichen, silbrigen Schimmer verströmte. Im Kloster selbst brannten nirgends
Lampen, wer glaubte, Licht zu brauchen, mußte mit einer Kerze vorlieb nehmen.
Mit dem Hinweis, der Abt werde in Kürze erscheinen, ließ der Mönch sie im
Dunkeln allein.
    Iridal zitterte und hüllte sich fester in ihren
Umhang, trotzdem mußte sie lächeln. Die Tür bestand aus gebranntem Ton wie
sämtliche Türen des Gebäudes. Vor ihrer Magie wäre jede einzelne geborsten wie
Glas. Aber sie saß ruhig da und wartete geduldig; noch war nicht die Zeit für
Drohungen.
    Die Tür ging auf, ein Mann, der eine Kerze trug,
kam herein. Er war alt, hager und asketisch, die fleischliche Substanz schien
nicht auszureichen, das Knochengerüst zu bekleiden. Sein Schädel war kahl,
vielleicht geschoren. Er würdigte Iridal kaum eines Blickes, als er an ihr
vorbeiging und sich hinter einen Schreibtisch setzte. Er nahm eine Feder, zog
einen Bogen Pergament heran und machte sich bereit zu schreiben.
    »Wir zahlen kein Geld, wißt ihr«, sagte er, ohne
aufzublicken. Er mußte der Abt sein, auch wenn er es nicht für nötig gehalten
hatte, sich vorzustellen. »Wir nehmen Euch das Kind ab und damit genug. Seid
ihr die Mutter des Jungen?«
    Wieder traf die Frage schmerzlich genau die
Wahrheit hinter der Täuschung. Iridal wußte genau, daß der Abt glaubte, sie
wäre gekommen, um sich von einer unerwünschten Bürde zu befreien – der Vorwand
war ihr geeignet erschienen, um sich erst einmal Zutritt zu verschaffen.
Trotzdem hörte sie sich auf die Frage antworten, wie ihr Herz sie verstanden
hatte.
    »Ja, ich bin Grams Mutter. Ich habe ihn im Stich
gelassen. Ich habe geduldet, daß mein Gemahl mir meinen Sohn wegnahm und
einer anderen gab. Was hätte ich tun sollen? Ich hatte Angst. Sinistrad hielt
meines Vaters Leben in der Hand. Als mein Sohn zu mir zurückkam, versuchte ich
ihn für mich zu

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