Drachenelfen
Drachenwyrm abzusuchen, ein Parasit, der sich unter den Schuppen
in die Haut bohrt, um dort Blut zu saugen.
Iridal überließ ihn seiner Beschäftigung und
beobachtete derweil den Eingang der Abtei, den sie von ihrem Standort sehen
konnte. Sie wurde langsam unruhig und machte sich Gedanken, was sie tun sollte,
falls Hugh seine Meinung geändert hatte. Der Abt würde sie nicht wieder
einlassen, ganz gleich mit welchen furchtbaren Strafen sie ihm drohte.
Plötzlich kam Hugh aus der Tür geschossen, als
hätte man ihn mit einem kräftigen Stoß nach draußen befördert. Unter den Arm
geklemmt trug er ein Bündel, wahrscheinlich mit seinen Habseligkeiten, in der
freien Hand eine Weinflasche. Er stolperte, fing sich wieder und rief etwas
über die Schulter, das für zartfühlende Gemüter bestimmt nicht geeignet war.
Dann richtete er sich auf und hielt suchend Umschau, vermutlich fragte er sich,
wo sie auf ihn wartete.
Iridal hob den Arm, winkte und rief seinen
Namen.
Vielleicht war es ihre Stimme – überraschend
laut in der klaren, frostigen Nacht – oder die abrupte Bewegung. Sie erfuhr es
nie. Irgend etwas schreckte den Drachen aus seiner Verzauberung.
Ein schrilles Kreischen ertönte hinter ihr,
gewaltige Schwingen entfachten einen veritablen Sturm, und bevor sie etwas tun
konnte, war der Drache in der Luft. Das Zerreißen der magischen Longe bedeutete
für einen Mysteriarchen nur ein geringfügiges Ärgernis. Iridal brauchte
lediglich einen ganz einfachen Zauber zu erneuern, aber dazu mußte sie für ein
paar Augenblicke die Aufmerksamkeit von Hugh abwenden.
Wenig vertraut mit den Intrigen und Machenschaften
des Königshofs, kam Iridal nie der Verdacht, der Zwischenfall könne
absichtlich herbeigeführt sein.
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Kapitel 15
Kloster der Kir,
Volkaran Archipel,
Mittelreich
Hugh sah den Drachen sich in die Luft schwingen
und begriff sofort, daß er seinen Bann abgeschüttelt hatte. Er war kein Magier.
Es gab nichts, was er tun konnte, um Iridal zu helfen, das Tier einzufangen
oder wieder unter ihren Einfluß zu bringen. Abgeklärt zog er mit den Zähnen den
Korken aus der Flasche und wollte einen Schluck nehmen, als er aus den Schatten
die Stimme eines Mannes sprechen hörte.
»Bewegt Euch ganz natürlich. Laßt nicht
erkennen, daß Ihr mich hört. Kommt hierher, in diese Richtung.«
Hugh kannte den Sprecher; er war ganz sicher,
der Stimme Gesicht und Namen geben zu können, kramte aber vergeblich in seinem
Gedächtnis. Die Monate der Trunkenheit in selbstauferlegter Gefangenschaft,
hatten die Erinnerung ersäuft.
Sehen konnte er im Dunkeln nichts. Woher sollte
er wissen, ob nicht ein Pfeil auf gespannter Sehne sein Herz anvisierte. Auch
wenn er den Tod suchte – er legte Wert darauf, das Wie, Wann und Wo selbst zu
bestimmen. Flüchtig kam ihm der Gedanke, ob Iridal ihn in einen Hinterhalt
gelockt hatte, aber nein, ihre Angst um den Jungen war echt gewesen.
Der Mann schien zu wissen, daß Hugh den Betrunkenen
nur spielte, doch es konnte nicht schaden, die Täuschung aufrechtzuerhalten.
Er benahm sich, als hätte er nichts gehört, und torkelte wie rein zufällig in
die ungefähre Richtung der Stimme. Zugleich hantierte er scheinbar unbeholfen
mit seinem Bündel und der Flasche, die als Schild und Waffe herhalten mußten.
Im Schutz seines Umhangs wechselte er das schwere Bündel in die linke Hand, um
damit einen möglichen Angriff abzuwehren, und packte mit der rechten den Hals
der Weinflasche fester. Sie gab eine brauchbare Keule ab.
Während er sich verdrossen über die Unfähigkeit
von Frauen im Umgang mit Drachen ausließ, schwankte Hugh aus dem eng begrenzten
Lichtkreis vor der Abtei und fand sich zwischen knorrigen, windzerzausten Büschen
und Bäumen wieder.
»Bleibt da stehen. Das ist weit genug. Es
reicht, wenn Ihr mich hört. Ihr kennt mich wieder, Hugh Mordhand?«
»Aber ja.« Die Hand um den Flaschenhals
verkrampfte sich. »Trian, habe ich recht? König Stephens Hofmagus.«
»Wir haben nicht viel Zeit. Lady Iridal darf
nichts von unserem Gespräch erfahren. Seine Majestät wünscht Euch daran zu
erinnern, daß Ihr verabsäumt habt, Euren Auftrag auszuführen.«
»Wie bitte?« Hugh versuchte aus den Augenwinkeln
etwas zu erkennen.
»Ihr habt nicht getan, wofür man Euch bezahlt
hat. Das Kind ist noch am Leben.«
»Na und? Ich gebe Euch das Geld zurück. Es war
ohnehin nur die Hälfte.«
»Wir wollen nicht das Geld. Wir wollen das Kind
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