Drachenelfen
tot sehen.«
»Ich kann es nicht tun«, sagte Hugh zu dem Schatten.
»Warum nicht?« Die Stimme klang verärgert.
»Ausgerechnet Ihr werdet Euch doch nicht ein Gewissen zugelegt haben.
Was soll die Zimperlichkeit! Habt Ihr keinen
Spaß mehr am Töten?«
Hugh ließ die Flasche fallen und machte aus dem
Stand einen Satz nach vorn. Er bekam das Gewand des Magiers zu fassen und zog
ihn ganz dicht an sich heran, bis ihre Gesichter sich fast berührten.
»Im Gegenteil«, preßte er zwischen zusammengebissenen
Zähnen hervor, »zuviel Spaß vielleicht!«
Er stieß den Magier von sich und sah ihn mit
Genugtuung rücklings zwischen die Büsche fallen. »Ich könnte vielleicht gar
nicht mehr aufhören! Sagt das Eurem König.«
Er konnte Trians Gesicht nicht sehen, der Magier
war nur ein unförmiger schwarzer Flecken vor einem wenig helleren Hintergrund.
Hugh wollte ihn auch gar nicht sehen. Er trat gegen die Scherben der
Weinflasche, fluchte über die Verschwendung und wandte sich zum Gehen. Iridal
war es gelungen, den Drachen wieder auf den Boden zu locken. Sie streichelte
ihn und flüsterte dabei die Worte der Beschwörung.
»Wir haben Euch einen Auftrag angeboten«, sagte
Trian, während er sich langsam aufraffte. Er schien einigermaßen verwirrt zu
sein. »Ihr habt akzeptiert. Man hat Euch bezahlt. Aber Ihr habt Euren Teil der
Abmachung nicht erfüllt.«
Hugh ging unbeirrt weiter.
»Ihr hattet nur eins, das Euch über das Niveau
eines gewöhnlichen Halsabschneiders hinaushob, Hugh Mordhand.« Trians Stimme
war ein Raunen, das mit dem Wind an Hughs Ohr getragen wurde. »Ehre.«
Hugh erwiderte nichts, schaute nicht zurück. Er
ging mit großen Schritten den Abhang hinauf zu Iridal, die ihn aufgeregt und
verlegen erwartete.
»Es tut mir leid. Ich kann mir nicht erklären,
wie das geschehen ist…«
›Aber ich kann’s‹, antwortete Hugh ihr in
Gedanken. ›Trian war derjenge welcher. Er ist dir gefolgt. Er hat deinen
Bannspruch aufgehoben und den Drachen befreit, um dich abzulenken, während er
mit mir sprach. König Stephen hat dir nicht großherzig eine Frist zugestanden,
damit du versuchen kannst, deinen Sohn zu befreien. Er benutzt dich, um mich zu
dem Kind zu führen. Trau ihnen nicht, Iridal, nicht Stephen, nicht Trian. Und
nicht mir.‹
Das hätte Hugh ihr sagen können, die Worte lagen
ihm auf den Lippen, aber sie blieben unausgesprochen.
»Das ist jetzt nicht wichtig«, sagte er barsch
zu ihr. »Ist jetzt alles in Ordnung?«
»Ja, aber…«
»Dann sehen wir zu, daß wir wegkommen. Bevor der
Abt zwei seiner Ordensbrüder gefesselt, geknebelt und nackt in meiner Zelle
findet.«
Er schaute sie unter gesenkten Brauen hervor an,
um ihr sogleich in die Parade zu fahren, sollte sie vergessen, daß sie
zugesagt hatte, keine Fragen zu stellen.
Sie machte nur ein verwundertes Gesicht, dann
nickte sie stumm und stieg auf den Rücken des Drachen. Hugh schnürte das Bündel
an den Doppelsattel mit dem Symbol des geflügelten Auges – König Stephens Wappen.
»Kein Wunder, daß der verfluchte Zauberkünstler
es geschafft hat, den Bann zu lösen«, murmelte er vor sich hin. »Ein Drache aus
dem königlichen Marstall!«
Er schwang sich hinter Iridal hinauf. Sie gab
das Kommando, der Drache sprang in die Luft und schraubte sich mit gewaltigen
Flügelschlägen dem Firmament entgegen. Hugh verschwendete keine Zeit darauf,
nach Trian Ausschau zu halten. Der Magus war zu gewitzt. Stellte sich nur die
Frage: Würde er ihnen folgen? Oder nur darauf warten, daß der Drache
zurückkehrte und ihm Bericht erstattete?
Hugh lächelte grimmig und beugte sich vor.
»Wohin bringt Ihr uns?«
»Zu meinem Haus. Um Proviant und Ausrüstung zu
holen.«
»Das lassen wir bleiben.« Hugh mußte laut
sprechen, um sich über dem Pfeifen des Windes und dem Rauschen der
Drachenschwingen Gehör zu verschaffen. »Ihr habt Geld? Baris? Mit dem Stempel
des Königs?«
»Ja.« Der Flug des Drachen war ungebärdig, er
sträubte sich gegen den Zügel. Iridals Umhang flatterte, ihr weißes Haar
bauschte sich gleich einer silbernen Wolke um ihren Kopf.
»Wir kaufen uns, was wir brauchen.« Hugh hatte
den Mund dicht an ihrem Ohr. »Von diesem Augenblick an, Lady Iridal, machen wir
uns unsichtbar. Schade, daß die Nacht so klar ist«, meinte er und suchte mit
prüfenden Blicken den Himmel ab. »Ein kleines Unwetter käme jetzt genau
recht.«
»Ein Unwetter kann man heraufbeschwören«,
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