Drachenelfen
Stück geistesabwesend in
Empfang, stopfte es mit Stregno aus einem speckigen Lederbeutel, ging zum
Feuer, nahm mit der Zange eine glühende Kohle heraus und paffte. Ein dünner
Rauchfaden kräuselte sich empor, der beißende Geruch des Stregno breitete sich
aus.
»Was…«, fing Iridal an.
»Seid still«, entgegnete Hugh. »Von heute an tut
Ihr, was ich sage und wann ich es sage. Keine Fragen. Wenn Zeit ist, erkläre
ich Euch, was los ist; wenn nicht, müßt Ihr mir einfach vertrauen. Ich werde
Euren Sohn befreien. Und Ihr helft mir, Alfred zu finden. Gilt der Handel?«
»Der Handel gilt«, antwortete Iridal fest.
»Gut.« Er senkte die Stimme. »Ich brauche zwei
Mönche hier drin, keine Zuschauer. Könnt Ihr das bewerkstelligen?«
Iridal ging zur Tür, hob die Klappe. Ein Mönch
stand im Gang, vermutlich hatte er Anweisung, auf sie zu warten.
Sie nickte. »Seid Ihr fähig, Euch auf den Beinen
zu halten?« fragte sie laut, in verächtlichem Tonfall.
Hugh verstand den Wink. Er legte die Pfeife
sorgsam auf den Kaminsims, dann nahm er die Weinflasche und zerschlug sie auf
dem Fußboden. Anschließend kippte er den Tisch um, legte sich in die Weinpfütze
und rollte darin herum.
»Na klar«, lallte er, versuchte aufzustehen und
fiel wieder hin. »Na klar kann ich mich auf den Beinen halten. Geh’n wir.«
Iridal klopfte energisch gegen die Tür. »Holt
den Vater Superior!« rief sie durch die Öffnung.
Der Mönch eilte davon. Es dauerte nicht lange,
und der Abt erschien. Iridal machte ihm die Tür auf.
»Hugh Mordhand hat eingewilligt, mich zu
begleiten«, sagte sie, »aber Ihr seht, in welchem Zustand er sich befindet.
Ohne Hilfe kann er keinen Schritt tun. Wenn zwei Eurer Mönche ihn stützen
könnten, wäre ich dafür außerordentlich dankbar.«
Der Abt runzelte die Stirn und wirkte nicht sehr
begeistert. Iridal zog eine gefüllte Börse unter ihrem Umhang hervor. »Meine
Dankbarkeit ist materieller Natur«, meinte sie lächelnd. »Eine Spende ist stets
willkommen, denke ich mir.«
Der Abt nahm die Börse. »Man wird zwei Brüder
herunterschicken. Aber Ihr dürft sie weder sehen noch zu ihnen sprechen.«
»Ich verstehe. Wir können gehen.« Sie verließ
die Zelle, ohne Hugh noch einen Blick zu gönnen, aber sie hörte das Knirschen
von zerbrochenem Glas, schweres Atmen und gemurmelte Flüche.
Der Abt schien froh und dankbar zu sein, daß sie
sich entschlossen hatte, seine Gastfreundschaft nicht länger in Anspruch zu
nehmen. Die Mysteriarchin hatte mit ihren herrischen Forderungen den Frieden
seines Klosters empfindlich gestört, stiftete Aufregung unter den Brüdern und
brachte allgemein zuviel Leben in diese abgeschlossene, dem Tode geweihte Welt.
Höchstpersönlich geleitete er Iridal die Treppe hinauf, durch die Gänge und
zur Pforte. Er versprach, man werde Hugh zu ihr hinausschicken, so oder so.
Vermutlich war es ihm ganz recht, sich auf einen Streich auch des zweiten
Störenfrieds zu entledigen.
Iridal neigte den Kopf, bedankte sich. Sie
zögerte auf der Schwelle, unschlüssig, ob sie gehen oder bleiben sollte, für
den Fall, daß Hugh Hilfe brauchte.
Schließlich blieb ihr nichts anderes übrig, als
sich abzuwenden und zu ihrem schlafenden Drachen zu gehen, weil der Abt, die
Börse noch in der Hand, nicht wich noch wankte. Er wartete unter der Lampe, um
ganz sicher zu sein, daß kein Sinneswandel oder erneute unverschämte Zumutungen
mehr zu befürchten waren. Erst als er sie neben ihrem Reittier stehen sah, ging
er hinein und schlug die Tür hinter sich zu.
Iridal, den Blick auf das ungastliche Gebäude
gerichtet, fragte sich, was Hugh vorhaben mochte. Sollte sie einfach hier
warten? Sie beschloß, den Drachen zu wecken, damit sie, sobald Hugh kam,
unverzüglich aufbrechen konnten.
Einen schlafenden Drachen aufwecken ist immer
ein prekäres Unterfangen, es sind freiheitsliebende Geschöpfe, und falls ihr
Reittier beim Erwachen des Zaubers ledig war, der es gefügig machte, bestand
die Möglichkeit, daß es davonflog, sie angriff, die Abtei attackierte oder –
in anderer Reihenfolge – alles zusammen.
Iridal hatte Glück, der Drache war nur etwas
verdrießlich, weil man ihn gestört hatte. Iridal streichelte und lobte ihn und
versprach ihm eine Belohnung, sobald sie wieder zu Hause waren.
Der Drache reckte die Hügel, schlug mit dem
Schweif und machte sich daran, seinen gewaltigen Leib nach dem winzigen, schwer
aufzuspürenden
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