Drachenelfen
sagte
Iridal. »Ich bin vielleicht keine Meisterin im Umgang mit Drachen, aber Wind
und Regen sind etwas anderes. Nur – wonach richten wir uns dann?«
»Nach dem Wind in meinem Gesicht«, antwortete
Hugh mit einem verwegenen Grinsen. Er beugte sich weiter nach vorn und griff
unter ihren Achseln hindurch nach den Zügeln. »Wo bleibt das versprochene Unwetter,
Teuerste?«
»Muß das sein?« fragte sie unbehaglich. Es war
beunruhigend, seinen atmenden Körper am Rücken zu spüren, von seinen starken
Armen umfaßt zu sein. »Ich lenke den Drachen, Ihr sagt mir wohin.«
»Das würde nicht gutgehen. Ich navigiere nach Gefühl,
die meiste Zeit denke ich gar nicht darüber nach. Lehnt Euch gegen mich. Wir
haben eine lange Reise vor uns. Schlaft, wenn Ihr könnt. In nächster Zeit werdet
Ihr nicht mehr oft dazu kommen.«
Erst hielt Iridal sich steif aufrecht, dann sank
sie mit einem resignierten Seufzer gegen Hughs Brust. Er rückte sich zurecht,
um es ihr bequemer zu machen, und schloß die Arme fester um sie.
Der Drache, der den erfahrenen Reiter spürte,
fügte sich dem Zügel und zog gleichmäßig seine Bahn. Iridal sprach leise die
Worte der Beschwörungsformel vor sich hin; Worte, die hoch über ihnen treibende
Wolken herbeiriefen und Nebel aufziehen ließen, ein feuchtes, klammes Tuch,
das sich auf sie senkte. Es fing an zu regnen.
»Es wird nicht lange anhalten«, meinte sie
schläfrig. Die Tropfen fielen sanft auf ihr Gesicht, sie schmiegte sich tiefer
in Hughs Arme.
»Ein Schauer genügt.« Trian liebt seine
Bequemlichkeit, dachte Hugh. Er wird seine gepuderten Locken nicht aufs Spiel
setzen, erst recht nicht, wenn er zu wissen glaubt, wohin wir unterwegs sind.
»Ihr habt Angst, daß man uns verfolgt, ja?«
fragte Iridal.
»Sagen wir, ich gehe nicht gerne ein Risiko
ein«, erwiderte Hugh.
Sie flogen durch den Sturm und die Nacht,
eingehüllt in Schweigen, so wohlig und warm, daß beide sich scheuten, es zu
durchbrechen. Iridal hätte noch viele Fragen stellen können – sie wußte recht
gut, daß die Mönche nicht daran interessiert waren, ihnen zu folgen. Wer aber
dann? Doch sie sagte nichts.
Sie hatte versprochen, ihn nicht mit Fragen zu
bedrängen, und meinte es ernst. Im Grund war sie froh, daß er ihr diese
Beschränkung auferlegt hatte. Sie wollte nicht fragen, wollte nichts wissen.
Unwillkürlich legte sie die Hand auf das
Federamulett, das sie unter ihrer Kleidung um den Hals trug und das ihr
ermöglichte, mit ihrem Sohn zu kommunizieren. Hugh hatte sie wohlweislich
nichts davon gesagt. Er wäre nicht einverstanden gewesen, vielleicht sogar böse.
Aber sie war nicht gewillt, diese Verbindung mit ihrem Kind aufzugeben – ihr
Sohn, dem sie nie hatte Mutter sein dürfen.
Hugh hatte seine Geheimnisse, rechtfertigte sie
ihr Tun. Und ich habe meine.
In seinen Armen geborgen, froh über seine Stärke
und seine schützende Nähe, dachte Iridal nicht mehr an die Vergangenheit mit
ihrem bitteren Leid und den Selbstvorwürfen; dachte nicht an die Zukunft mit
ihren Gefahren. Sie hatte sich im wahrsten Sinne des Wortes die Zügel aus den
Händen nehmen lassen und war zufrieden, sich vorläufig der Führung eines
anderen anzuvertrauen. Es würde die Zeit kommen, wenn sie die Zügel wieder
ergreifen mußte, möglicherweise gegen große Widerstände. Aber bis dahin wollte
sie tun, was Hugh vorgeschlagen hatte – ruhen und schlafen.
Hugh spürte mehr, als er sah, daß Iridal
schlief. Die Dunkelheit war undurchdringlich, man konnte Himmel und Erde nicht
auseinanderhalten. Er hielt die Zügel mit einer Hand und zog mit der anderen
den Umhang über die Frau, als Schutz gegen den kalten Wind und den Regen.
In Gedanken vernahm er dieselben Worte, immer
und immer und immer wieder:
Ihr hattet nur eins, das Euch über das Niveau
eines gewöhnlichen Halsabschneiders hinaushob, Hugh Mordhand.
Ehre… Ehre… Ehre…
»Ihr habt mit ihm gesprochen, Trian? Ihr habt
ihn zweifelsfrei erkannt?«
»Ja, Euer Majestät.«
Stephen rieb sich das bärtige Kinn. »Hugh
Mordhand lebt also. Sie hat uns belegen.«
»Man kann ihr daraus kaum einen Vorwurf machen,
Sire.«
»Wir waren Narren, ihr zu glauben. Ein Mann mit
blauen Tätowierungen! Alfred, der Einfaltspinsel, der auszieht, ihren Sohn zu
suchen. Alfred könnte sich selbst nicht im Spiegel finden! Alles gelogen.«
»Ich bin nicht so sicher, Majestät«, meinte
Trian nachdenklich. »Hinter Alfreds unscheinbarem
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