Drachenelfen
Geschäfte sprachen, die Pfeife brannte und der Stregno sich behaglich mit
dem Wein in seinem Blut vermischte, konnte er vorübergehend die Schatten
vergessen, die ihn bedrängten. »Du hast natürlich einen Plan«, meinte Ciang.
»Andernfalls wärst du nicht hergekommen.«
»Nur die Anfänge eines Plans«, schränkte er ein.
»Aus dem Grund brauche ich Informationen. Alles, auch wenn es noch so belanglos
oder unwichtig erscheint, kann hilfreich sein. Wie ist die politische Situation
des Kaisers?«
»Verzweifelt.« Ciang lehnte sich zurück. »Oh,
das Leben im Imperanon geht unverändert seinen Gang. Feste, Frohsinn,
Lustbarkeiten von abends bis zum frühen Morgen. Aber ihr Lachen kommt aus dem
Weinglas, nicht aus dem Herzen, wie das Sprichwort sagt. Agah’ran muß um jeden
Preis verhindern, daß die Allianz zwischen Rees’ahn und Stephen zustandekommt.
Wenn doch, ist das Tribusimperium dem Untergang geweiht und Agah’ran weiß das.«
Hugh knurrte und zog paffend an seiner Pfeife.
Ciang betrachtete ihn unter halbgeschlossenen
Lidern hervor.
»Deine Sache hängt irgendwie mit Stephens Sohn
zusammen, der offenbar nicht Stephens Sohn ist. Ja, ich habe gehört, daß der
Junge sich in den Fängen des Kaisers befindet. Sei unbesorgt, mein Freund. Ich
frage nicht. Auch ohne Erklärungen glaube ich das Netz zu erkennen, in dem du
dich gefangen hast.«
»Auf wessen Seite steht die Bruderschaft?«
»Auf unserer eigenen selbstverständlich.« Gang
hob die Schultern. »Der Krieg beschert uns erklecklichen Profit, uns und ganz
Skurvash. Ein Friedensschluß würde bedeuten, daß der Schmuggel nicht mehr
lohnt. Andererseits – es würden sich neue Verdienstmöglichkeiten ergeben. Ja,
so lange Habgier, Lust, Ehrgeiz in dieser Welt bestehen – mit anderen Worten:
so lange die Menschheit in dieser Welt besteht –, wird unsere Bruderschaft
wachsen, blühen und gedeihen.«
»Ich bin überrascht, daß noch niemand uns beauftragt
hat, Prinz Rees’ahn zu ermorden.«
»Oh, aber man hat. Ein erstaunlicher junger
Mann, der Prinz.« Gang seufzte, ihr Blick verlor sich in weiten Fernen. »Ich
muß zugeben, Hugh Mordhand, der Prinz ist ein Mann, dem ich gerne in meiner
Glanzzeit begegnet wäre. Selbst jetzt noch… Aber es kann nicht sein.«
Die Matriarchin seufzte erneut, dann schüttelte
sie die wehmütige Stimmung ab und kehrte in die Gegenwart zurück. »Wir verloren
zwei gute Männer und meine beste Frau bei diesem Auftrag. Berichte sagen, er
wurde von der Magierin gewarnt, die immer bei ihm ist, eine Menschenfrau,
Rabenlerche. Du wärst nicht zufällig interessiert, dein Glück zu versuchen,
mein Freund? Sein Kopf bringt einen guten Preis.«
»Da seien die Ahnen vor.« Hugh hob abwehrend die
Hand. »So verlockend kann der Preis gar nicht sein.«
»Ja, das ist klug. Ich hätte gesagt, als ich
noch jung und gutgläubig war, daß Krenka-Anris ihn beschützt.«
Gang verfiel in Schweigen. Die Augen
halbgeschlossen, malte sie gedankenverloren mit dem Zeigefinger Kreise in das
Blut auf der polierten Tischplatte. Hugh, da er glaubte, sie sei erschöpft,
wollte aufstehen und sich verabschieden, als sie plötzlich aufblickte und ihn
ansah.
»Eine Information habe ich, die für dich
wertvoll sein könnte. Sehr befremdlich, im Grunde nur ein Gerücht. Aber selbst wenn,
ist ihm große Bedeutung als Vorzeichen beizumessen.«
»Und worum geht es?«
»Die Kenkari, so hört man, haben die Tore der
Kathedrale d’Albedo geschlossen.«
Hugh nahm die Pfeife aus dem Mund, seine Augen
wurden schmal. »Weshalb?«
Ciang lächelte und öffnete die verschränkten
Hände. »Sie fanden heraus, daß die Seelen, die man ihnen brachte, nicht bereit
gewesen waren für die Reise. Sie kamen auf kaiserlichen Befehl.«
Hugh brauchte einen Moment, um diese Worte zu begreifen.
»Mord?« Er starrte sie an und schüttelte den Kopf. »Ist Agah’ran wahnsinnig?«
»Nicht wahnsinnig. Verzweifelt. Und, wenn es
stimmt, ist er auch ein Narr. Die Seelen Ermordeter werden seiner Sache nicht
helfen. Sie verwenden all ihre Kraft darauf, Gerechtigkeit zu fordern. Die
Magie der Albedo schwindet. Ein weiterer Grund, weshalb Rees’ahns Macht
zunimmt.«
»Aber die Kenkari unterstützen den Kaiser.«
»Bis jetzt. Sie haben schon früher die Seite
gewechselt. Warum nicht jetzt auch wieder?«
Hugh überlegte schweigend.
Ciang sagte nichts mehr, sondern überließ ihn
seinen Gedanken. Sie nahm die Feder zur Hand und
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