Drachenelfen
wußte,
ohne hinzusehen, daß Ciang mit einem ironischen Lächeln die Schultern hob. Belüge
dich selbst, wenn’s sein muß. Mir kannst du nichts vormachen.
»Sehr klug«, sagte sie laut. »Wo liegt die Schwierigkeit?«
»Der alte Kontrakt bringt mich in Konflikt mit
einem neuen Auftrag.«
»Und was wirst du tun, um die Situation zu
klären, Hugh Mordhand?«
»Ich weiß nicht.« Hugh drehte den leeren Pokal
auf der Tischplatte und beobachtete, wie die Edelsteine am Fuß aufleuchteten,
wenn das Licht sie traf.
Ciang seufzte leise. »Da du mich nicht um Rat
bittest, gebe ich auch keinen. Ich bitte dich aber, die Worte zu bedenken, die
der junge Mann eben gesprochen hat. Ein Kontrakt ist heilig. Brichst du ihn,
haben wir keine andere Wahl als anzunehmen, daß du auch deinen uns geleisteten
Eid gebrochen hast. Du kennst die Strafe 60 ,
die darauf steht. Auch in deinem Fall, Hugh Mordhand, wird man keine Ausnahme
machen.«
»Ich weiß.« Jetzt konnte er sie ansehen.
»Nun gut.« Sie richtete sich auf und schlug die
Hände zusammen. »Du kommst in Geschäften. Was können wir tun, um dir zu
helfen?«
Hugh erhob sich, ging zur Anrichte, füllte sein
Glas und leerte es auf einen Zug, ohne den ausgezeichneten Jahrgang zu
würdigen. Ließ er Gram am Leben, hatte er nicht nur seine Ehre verwirkt,
sondern auch sein Leben. Aber wie konnte er den Jungen töten?
Er dachte daran, wie Iridal in seinen Armen
geschlafen hatte, friedlich, vertrauensvoll. Sie hatte ihn hierher begleitet,
an diesen fürchterlichen Ort, weil sie an ihn glaubte. An seine Ehre, seine
Liebe zu ihr. Beides hatte er ihr zum Geschenk gemacht, durch sein Handeln, das
ihm den Tod brachte. Und die Gabe wurde ihm tausendfach vergolten.
Dann hatte man ihn zurückgeholt; Ehre und Liebe
starben, obwohl er lebte. Ein seltsamer und schrecklicher Widerspruch, an dem
er fast zugrunde gegangen wäre. Im Tod konnte er beides vielleicht
wiederfinden, aber nicht, wenn er diese Schuld auf sich lud. Doch wenn er es
nicht tat, wenn er den Eid brach, galt er der Bruderschaft als vogelfrei. Man
würde ihn jagen, und er würde sein Leben teuer verkaufen, aber dann gab es kein
Zurück mehr. Was er suchte, war für ihn verloren. Er sah vor sich, wie er ein
furchtbares Verbrechen nach dem anderen beging, bis die Dunkelheit ihn
verschlang, unwiderruflich, für alle Ewigkeit.
Es wäre besser für uns alle, wenn ich den Mut
hätte, Gang zu bitten, diesen Dolch aus dem Kasten zu nehmen und mir ins Herz
zu stoßen.
»Ich brauche eine Reisemöglichkeit.« Er drehte sich
unvermittelt zu ihr herum. »Eine Reisemöglichkeit nach Aristagon. Und
Informationen – alles an Informationen, was Ihr mir geben könnt.«
»Die Reisemöglichkeit ist kein Problem, wie du
weißt«, antwortete Ciang. Falls sein langes Schweigen ihr zu denken gegeben
hatte, ließ sie es sich nicht anmerken. »Aber die Tarnung. Du hast deine
eigenen Mittel und Wege, dich in Feindesland zu bewegen, denn du bist schon
häufiger in Aristagon gewesen und nie erkannt worden. Aber läßt sich dieselbe
Tarnung auch auf deine Begleiterin ausweiten?«
»Ja«, antwortete Hugh knapp.
Ciang fragte nicht weiter. Die Methoden eines
Assassinen waren seine eigene Angelegenheit. Höchstwahrscheinlich wußte sie
ohnehin Bescheid.
»Und dein Ziel?« Ciang griff nach der Feder und
zog ein Blatt Papier heran.
»Paxaria.«
Ciang tauchte die Feder ein und wartete darauf,
daß Hugh sich genauer äußerte.
»Das Imperanon.«
Ciang schürzte die Lippen. Sie legte die Feder
ab und sah ihn an.
»Deine Geschäfte führen dich dorthin? In den
Palast des Kaisers?«
»In den Palast des Kaisers.« Hugh zog die Pfeife
aus der Tasche und steckte sie in den Mund.
»Du darfst rauchen.« Ciang deutete mit einem
leichten Kopfnicken zum Feuer. »Wenn du das Fenster aufmachst.«
Hugh tat, wie ihm geheißen, dann stopfte er die
Pfeife, zündete sie an und zog dankbar den beißenden Rauch in die Lungen.
»Das wird nicht einfach sein«, nahm Ciang den
Faden wieder auf. »Ich kann dir einen genauen Plan des Palastes und der
näheren Umgebung beschaffen. Und wir haben drinnen jemanden, der für eine
entsprechende Summe bereit sein wird, dir zu helfen. Aber in den Palast
hineingelangen…« Ciang wiegte den Kopf.
»Hinein komme ich«, sagte Hugh grimmig. »Was mir
Sorgen macht, ist, anschließend wieder rauszukommen – lebend.«
Er setzte sich auf seinen Platz. Jetzt, da sie
über
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