Drachenelfen
Zwerge nebeneinander
liegen, tot.
Ein verzweifeltes ›Warum?‹ drängte sich ihm auf
die Lippen, doch es blieb unausgesprochen. Zum erstenmal in seinem Leben sah
Limbeck alles ganz deutlich. Er sah, was er tun mußte.
Nachdem er in allen Taschen gesucht hatte,
förderte er endlich das große weiße Tuch zutage, das er benutzte, um seine
Brille zu putzen und schwenkte es durch die Luft. »Aufhören!« rief er, und
seine Stimme füllte unüberhörbar die Stille, die das Allüberall hinterlassen
hatte. »Hört auf zu kämpfen. Wir ergeben uns.«
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Kapitel 35
Farbick,
Niederreich
Elfen und Zwerge hielten lange genug inne, um Limbeck
anzustarren. Manche verdutzt, einige ergrimmt, die meisten argwöhnisch, alle
erstaunt. Limbeck machte sich den Moment der Unschlüssigkeit zunutze und
erklomm den Sockel der Statue.
»Seid ihr alle blind?« rief er. »Könnt ihr nicht
sehen, wohin das führt? Zu unser aller Tod. Zum Untergang der Welt, außer wir
kommen zur Vernunft.« Er streckte den Elfen die Hände entgegen. »Ich bin der
Chefmechniker. Mein Wort ist Gesetz. Laßt uns verhandeln. Ihr Elfen könnt das
Allüberall haben, und ich werde euch beweisen, daß ich meine, was ich sage. Da
unten ist ein Raum.« Er deutete in den unterirdischen Gang. »Ein Raum, von dem
aus man die Maschine steuern kann. Ich werde euch zeigen…«
Jarre schrie auf. Limbeck ahnte plötzlich eine
ungeheure Masse, die über ihm aufragte, spürte einen giftigen Atemhauch
wehen, verderblicher als die Stürme des Mahlstroms.
»Es ist zu spät l« verkündete Sang-drax mit
gewaltiger Stimme. »Kein Frieden für diese Welt! Nur Chaos und Schrecken,
während ihr um euer Überleben ringt. Blut sollt ihr trinken statt Wasser!
Zerstört die Maschine!«
Der keilförmige Schlangenkopf schnellte gegen
das Standbild des Mangers. Ein tiefes Dröhnen hallte durch die Farbick. Die
Statue, das ehrfurchtsgebietende Abbild eines Sartan, das seit Generationen
über die Zwerge von Drevlin gewacht hatte, erbebte auf ihrem Sockel. In
wahnwitzigem Zorn stieß die Schlange erneut zu. Wieder ertönte das hallende
Dröhnen, das Standbild wankte und stürzte. Der gewaltige Glockenklang des
Aufpralls rollte wie der Urteilsspruch des Schicksals durch die Farbick.
In ganz Drevlin begannen die Schlangen damit,
die Lektrozinger zu zerschmettern, die Trötepfeifen abzureißen, das Metall der
wunderbaren Maschine in Stücke zu schlagen. Die Elfen sahen, was geschah, und
hatten eine plötzliche Vision von ihren Wasserkoggen, wie sie zum Mittelreich
aufstiegen – leer.
Die Zwerge hielten in ihrem Rückzug inne, hoben
ihre Waffen auf und stellten sich dem Feind. Die Elfen schossen ihre magischen
Pfeile in die roten Augen der Schlangen. Im Innern der Farbick und draußen,
geeint von dem furchtbaren Anblick des Zerstörungswerks der Ungeheuer, kämpften
Zwerge und Elfen Seite an Seite, um das Allüberall zu retten.
Hilfe wurde ihnen zuteil durch das rechtzeitige
Eintreffen eines havarierten Drachenschiffs, dem es gelungen war – durch den
gemeinsamen Einsatz der Elfen und Menschen an Bord – den Mahlstrom zu
bezwingen. Ein Trupp kräftiger Menschen, unter dem Befehl des Elfenkapitäns
und ausgerüstet mit Waffen, über die ein Elfenmagier seinen Zauber gesprochen
hatte, griff in den Kampf ein. Die Nichtigen attackierten die Schlangen mit
solcher Wildheit, daß sie nicht standhalten konnten, sondern die Flucht
ergriffen.
Zum erstenmal in der Geschichte von Arianus geschah
es, daß Menschen und Elfen und Zwerge nebeneinander in die Schlacht zogen,
nicht gegeneinander.
Der Anblick hätte das Oberhaupt der UFF mit
Stolz erfüllt, aber bedauerlicherweise kam er nicht in den Genuß. Limbeck war
verschwunden, begraben unter der zerschmetterten Statue des Mangers.
Jarre, vor Tränen blind, hob die Streitaxt und
machte sich bereit, die Schlange anzugreifen, deren blutiger Kopf witternd über
der Statue pendelte, vielleicht Haplo suchte, vielleicht Limbeck. Mit trotzigem
Kriegsgeschrei, die Axt in beiden Händen, stürzte Jarre sich auf den
übermächtigen Gegner – und konnte ihn nicht finden.
Die Schlange war verschwunden.
Jarre stolperte, der Schwung des ins Leere
geführten Hiebs brachte sie aus dem Gleichgewicht. Die Axt rutschte ihr aus den
blutigen Händen. Sie fiel auf Hände und Knie.
»Limbeck?« rief sie verzweifelt und kroch auf
die Mitteltrümmer zu.
Eine Hand wurde sichtbar. Sie bewegte sich
schwach.
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