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Drachenelfen - Die gefesselte Göttin (German Edition)

Drachenelfen - Die gefesselte Göttin (German Edition)

Titel: Drachenelfen - Die gefesselte Göttin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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Er starrte hinauf in den Abendhimmel, der sich im Westen noch mit fürstlichem Purpur schmückte, während über den Bergen im Osten die Nacht ihre dunklen Schwingen breitete.
    »Unsterblicher!« Ashot kam über den Burghof gerannt. »Herr …«
    Er beugte sich zu ihm hinab. »Ihr müsst kommen, Herr. Unten, bei den Zisternen.« Sein alter Freund sah müde und ausgezehrt aus. Dichte Stoppeln sprossen auf seinen Wangen. Er roch nach Schweiß und Leder. »Herr …« In seinen Augen nistete etwas, das Artax dort noch nie bemerkt hatte. Es schien, als habe der Wahn Elesasars auch ihn ergriffen.
    »Kommt mit mir, Herr. Schnell. In die Zisternen … Ihr müsst sehen, was der irre Alte befohlen hat. Es ist …« Nun standen Tränen in Ashots Augen. »Es ist vor nicht einmal einer Stunde geschehen. Wie kann man nur so etwas tun?«

D er gerade Weg
    Ashot war immer der Überzeugung gewesen, dass sein Herz an dem Morgen zu einem harten, grauen Stein geworden war, an dem er seinen Vater, von eigener Hand gerichtet, an einem Strick an der Zeder neben dem Dorfbrunnen hatte hängen sehen. Er hatte sich geirrt. Das unstet flackernde Licht einer einzelnen Fackel entriss der Dunkelheit tief in den Eingeweiden des Burgfelsens ein Bild des Grauens. Mit dem Unsterblichen und drei weiteren Kriegern war er zu den Zisternen und Vorratskammern hinabgestiegen. Aaron stand direkt unter ihm auf der steilen Leiter und schwenkte stumm seine Fackel in weitem Bogen.
    Der Boden der Felskammer war so dicht mit Leichen bedeckt, dass man keinen Schritt tun könnte, ohne auf Tote zu treten. Es waren ausnahmslos Kinder und junge Frauen. Ihre Gesichter waren von Schmerz verzerrt, ihre Körper zusammengekrümmt, als hätten sie Krämpfe gelitten. Viele hielten einfache Becher aus rotem Ton umklammert. Es war nur eine kleine, kaum zehn Schritt durchmessende unregelmäßige Felskammer, und es lagen mindestens fünfzig Tote hier. Nie, nicht einmal auf dem Schlachtfeld von Kush, war Ashot der Tod so greifbar erschienen. Er hatte sich hier eingenistet, war in der Luft, die sie atmeten, haftete allem an, das sie berührten. Und er spürte das Böse. Den verruchten Geist, der dieses Massaker ersonnen hatte.
    Früher hatte er das immer für eine abstrakte Moralvorstellung gehalten. Jetzt wusste er, es gab das Böse wirklich. Es hatte von Eleasar Besitz ergriffen gehabt! Gut, dass der verbitterte, alte Satrap tot war. Aber Ashot ahnte, dass das Böse damit nicht vernichtet war. Es war noch hier, ganz nah.
    Aaron schwenkte die Fackel nicht mehr. Direkt unter der Leiter lag ein kleines Mädchen mit dunklem Haar, die Ashot aus geweiteten, grauen Augen geradewegs anzublicken schien. Sie hielt eine blutgetränkte Puppe aus Lumpen an die Brust gepresst. Ihre Kehle war durchtrennt.
    Ashot musste den Blick abwenden. Warum hatte Eleasar einen solchen Befehl gegeben? Warum waren sie überhaupt hier? Was hatte die Satrapen veranlasst, Frauen und Kinder statt Kriegern in diese einsame Festung zu holen? Er drehte sich zu den Männern um, die über ihm an der Luke für die Leiter standen. »Geht hinauf auf den Hof! Und redet nicht über das, was ihr hier gesehen habt. Diese Kammer ist erfüllt von Geistern … Wenn wir reden, dann werden wir sie mit uns nehmen.«
    Ashot sah, dass er den Männern mit seinen Worten über die Geister Furcht eingejagt hatte.
    Obwohl er selbst bis eben nicht an ihre Existenz geglaubt hatte, war er sich nun nicht mehr sicher. Durch die ruchlose Tat war ein dunkler Samen gesät worden, aus dem noch mehr Übel erwachsen würde. Er wusste intuitiv, was hier geschehen war, durfte nicht weitererzählt werden!
    Ashot dachte wieder an den verbitterten, alten Mann und daran, wie er sich in den Dolch gestürzt hatte, den er dem Unsterblichen entgegengestreckt hatte. Wie leicht wäre es, darin einen Dolchstoß Aarons zu sehen. Die Hälfte der Männer, die hinauf in die Festung geklettert waren, stammte aus den Bergen. Es waren harte, einfache Männer. Sie würden nicht über einen heimtückischen Alten berichten. Dass der Unsterbliche Aaron den Verräter mit eigener Hand gerichtet hatte, war die bessere Geschichte. Aber das hier unten … Das ergab nur einen Sinn, wenn Eleasar Aaron mit diesen Morden schaden wollte. Also war es besser, wenn ihre Begleiter verschwiegen, was sie hier gesehen hatten.
    Ashot sah den dreien nach, als sie sich auf den Rückweg machten. Hoffentlich war ihre Furcht vor Geistern größer als ihr Bedürfnis zu reden.
    »Gift.«

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