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Drachenelfen - Die gefesselte Göttin (German Edition)

Drachenelfen - Die gefesselte Göttin (German Edition)

Titel: Drachenelfen - Die gefesselte Göttin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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Aaron schwenkte wieder die Fackel, als wolle er jedem einzelnen Toten ins Antlitz sehen. »Sie haben ihnen Gift zu trinken gegeben. Und sie wussten nicht, was sie tranken. Als das Sterben begann, haben einige versucht, hierher zur Leiter zu fliehen … und wurden niedergestochen.« Der Unsterbliche sprach mit leiser, tonloser Stimme.
    Ashot hatte das Gefühl, dass Aaron nur zu sich allein sprach. Vielleicht wurde das Ungeheuerliche, das Eleasar getan hatte, für den Herrscher verständlicher, wenn aus Gedanken gesprochene Worte wurden.
    »Herr, steigt nicht hinab in dieses Grab.« Es fiel Ashot schwer zu sprechen. Wieder haftete sein Blick auf dem Mädchen, das im Tod seine Puppe an sich gedrückt hatte. Vielleicht waren ja wirklich Geister hier? Er schluckte. »Wir sollten das Gewölbe verschließen. Lassen wir die Toten ruhen.«
    Der Unsterbliche sah zu ihm auf. »Hier lassen? Ohne Würde? So übereinanderliegend? Ohne einen Priester, der ihre Seelen mit Gebeten hinüber in den großen Schatten geleitet? Ich begreife nicht, was Eleasar hier getan hat. Nur eins sehe ich ganz klar: Ihr Tod hat mit uns zu tun.«
    Und da begriff Ashot, welch perfide Absicht hinter den Morden bestand. Eleasar war nicht allein Satrap. Er war auch Hohepriester gewesen. Er wusste, welche Rituale eine würdige Totenfeier verlangten. Wusste, dass der Unsterbliche die Leichen nicht einfach liegen lassen konnte.
    Es war eine Sache, nach einer Schlacht die Leichen von Kriegern zu verbrennen oder in Massengräber zu werfen. Aber Kindern ihr Totenfest zu verweigern … Sie einfach hier zurückzulassen … Ashot begriff, dass Aaron das niemals tun würde. Und Eleasar hatte das auch gewusst. Aber vor allem hatte der durchtriebene Alte gewusst, was daraus folgen würde. Da die Festung in den Fels geschlagen und der Boden blanker Stein war, würden sie die Toten hinunter zum Adlerpass tragen müssen, um sie zu bestatten. Und dort würden Hunderte von Kriegern, die alle hier oben nicht dabei gewesen waren, Zeugen dieser Prozession werden. Männer, die gesehen hatten, dass der Unsterbliche wie rasend vor Zorn gewesen war und diese Festung um jeden Preis nehmen wollte. Was würden sie denken?
    »Ihr müsst sie zurücklassen, Herr.«
    Der Unsterbliche blickte zu ihm auf, und kalter Zorn lag in seinen Augen. »Hier? Sollen wir Handlanger von Eleasar werden? So herzlos wie er?«
    Ashot zwang sich, dem Blick standzuhalten. »Wir werden zu seinen Handlangern, wenn wir die Toten hinab zum Pass bringen. Das war es, was er wollte. Er kannte Euch gut, Herr«, erklärte Ashot. »Er wollte Euch schaden. Bitte macht es ihm nicht so leicht.« Doch Aaron schüttelte nur den Kopf.
    »Wir werden sie würdig bestatten!«
    Es lag eine Endgültigkeit in der Stimme des Herrschers, die aus Jahrhunderten des Befehlens geboren war. Ashot wagte es nicht mehr aufzubegehren. Auch vermochte er den Blick des Unsterblichen nicht länger zu ertragen. Er sah nach unten und war wieder von den toten, grauen Augen des Mädchens gefangen.
    »Eleasar hat gewonnen, wenn Ihr sie den Berg hinabbringt. Man wird glauben, wir hätten sie ermordet. Man wird Euch einen Mörder nennen. Euer Name …«
    »Eleasar hätte auch gesiegt, wenn ich es nicht täte.« Die Härte war aus Aarons Stimme gewichen. Jetzt klang er nur noch müde und traurig. »So bin ich nicht. Keine Barmherzigkeit mehr zu kennen, das … So will ich nicht sein! Eher ertrage ich, dass Lügen über mich erzählt werden. Für mich gibt es nur einen Weg, den geraden. Kompromisse sind wie ein Labyrinth. Lässt man sich auf sie ein, wird man sich in ihnen verirren. Ich werde aus dieser Welt einen besseren Ort machen, bevor ich gehe. Wirst du auf diesem Weg an meiner Seite bleiben, Ashot, mein Freund?«
    Plötzlich kam ihm die Stimme des Unsterblichen seltsam vertraut vor, als spräche über den Abgrund der Jahre Artax zu ihm, der vor langer Zeit nach Nangog gegangen war. Ashot hatte ihn damals begleiten wollen, doch sein Vater hatte es ihm ausgeredet. Er hatte ihm helfen sollen, eine Schweinezucht aufzubauen, die sie zu den reichsten Bauern Belbeks machen sollte. Und er, Ashot, hatte seine Träume und seine Freundschaft diesen Schweinen geopfert, die bald allesamt verreckt waren. Seine Eltern waren gestorben. Sein Freund Narek auf der Hochebene von Kush gefallen. Und er war zum Befehlshaber der Leibwache des Unsterblichen aufgestiegen.
    Wohin ihn das Schicksal wohl getrieben hätte, wäre er damals mit Artax gegangen? Auch sein

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