Drachenelfen - Die gefesselte Göttin (German Edition)
Tagen musste ich ihn nicht zu seinem Stand am Platz der tausend Zungen begleiten. Er rührte mich nicht mehr an. Und Joram war weiterhin sich selbst überlassen, weil ich ja meinen Teil unseres Ehegelöbnisses nicht hinreichend erfüllt hatte. Mein Bruder war am Morgen nach dem Unfall erwacht, aber kam nicht mehr zu Verstand. Er stöhnte und jammerte ohne Unterlass. Seine Wunden entzündeten sich und begannen, erbärmlich zu stinken. Schließlich erbarmte sich eine Nachbarin und brachte einen Wunderheiler von den Feuerinseln.
Wahrscheinlich war er der billigste Heiler im ganzen Viertel. Er schnitt einem schwarzen Hahn die Kehle durch, spritzte Joram des sen Blut ins Gesicht und rief die Macht seiner Ahnen an. Einige der Worte verstand ich. Es war ein dunkler Zauber. Dann nahm er sein Steinmesser und begann meinem Bruder das entzündete Fleisch aus dem Gesicht zu schneiden. Ich musste Joram die ganze Zeit dabei festhalten …« Zarah tastete nach dem abgetrennten Finger neben ihr auf dem Bett, und ihr Blick wurde hart. »Er hat ihm die Oberlippe weggeschnitten und die Nase, samt den Resten des Nasenbeins. Auf die offenen Wunden legte er Maden, die das letzte entzündete Fleisch fressen sollten. Mein Bruder überlebte. Bono war davon nicht sonderlich erbaut. Als mein Gesicht wieder vorzeigbar war, nahm er mich wieder mit zum Platz der tausend Zungen. Meinen Bruder hat er zu Hause mit einer Leine an einen Bronzering in der Wand festgebunden wie einen Hund. Jorams Verstand erholte sich nicht mehr. Er weinte, wenn wir gingen, und wenn wir zurückkamen, versuchte er immer, in unserer Nähe zu sein.
Er war Bono lästig und fortan durfte Joram nie mehr im selben Zimmer wie Bono sein, wenn sich der Alte in der Wohnung aufhielt. Es mochte etwa ein Mond vergangen sein, bis ich erfuhr, warum mein neuer Ehemann in so einer jämmerlichen Wohnung lebte. Er bekam Besuch von einem Freund.« Zarah hielt in ihrer Erzählung inne und bedachte Kolja mit einem vorwurfsvollen Blick, den der Drusnier auch von seinen anderen Mädchen nur zu gut kannte. Sie alle beherrschten diesen Blick, ganz gleich, wie gut man sie auch behandelte.
»Unser Besucher hieß Leon. Ich schätze, du hast zumindest schon einmal von ihm gehört, Kolja. Er arbeitete im selben Gewerbe wie du und war recht erfolgreich, bis er vor einigen Monden spurlos verschwand. Was er war, wusste ich damals natürlich nicht.«
Kolja erinnerte sich noch an den Trurier, der den Sturm auf sein Freudenhaus angeführt hatte. Leon war ein großer, leicht beleibter Kerl mit schütterem Haar und einem merkwürdigen Bärtchen gewesen. Einer von denen, die es liebten, Kleider in knalligen Farben zu tragen und sich wie ein Weib mit Schmuck zu behängen. Der Dummkopf war mit einem langen Dolch gekommen und war ganz gewiss davon überzeugt gewesen, gefährlich zu sein. Er und die anderen Trottel hatten keine Ahnung gehabt, was es hieß, sich mit schlachterprobten Söldnern anzulegen. Sie hatten sie alle getötet und dann deren Geschäft übernommen.
Der Drusnier zuckte nur mit den Schultern. Wen er kannte und wen nicht, ging die Seidene nichts an.
»Leon gratulierte Bono zu seiner Vermählung. Dabei gaffte er mich schamlos an. Ich konnte ihm damals gar nicht in die Augen sehen. Noch erstaunlicher war, dass mein Gatte, der sonst so eifersüchtig über mich wachte, gar nichts dagegen zu haben schien. Er erläuterte meine Vorzüge, als sei ich irgendein Gaul auf einem Pferdemarkt. Leon lud uns ein, ihn am nächsten Abend zu besu chen. Nachdem der Trurier gegangen war, versuchte ich, Bono den Besuch auszureden. Er wollte davon nichts hören, ja er drohte mir, Joram nichts zu essen zu geben, wenn ich nicht gehorsam sei. Also fügte ich mich.
So gelangte ich zum ersten Mal in meinem Leben in ein Bordell. Leon hatte schon alles arrangiert. Bono mochte es, dabei zuzusehen, wenn ich mit anderen Männern zusammen war. Nur auf diese Weise stieg noch Saft in seine vertrocknete Dattel. In jener Nacht musste ich drei Männern beiliegen, die allesamt keine Ahnung hatten, dass uns mein Ehemann durch ein wohlverborgenes Guckloch in der Wand zusah.
Von nun führte Bono mich regelmäßig zu Leon, und ich verstand, wo das Geld Bonos geblieben war. Mein Mann war hier schon lange Kunde. Doch nun hatte sich das Blatt gewendet. Er ging mit gut gefüllter Börse heim, statt sein letztes Kupferstück in Leons Hurenhaus durchzubringen. Sieben Mal haben die beiden mich als Jungfrau versteigert. Ich musste mir die
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