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Drachenelfen - Die gefesselte Göttin (German Edition)

Drachenelfen - Die gefesselte Göttin (German Edition)

Titel: Drachenelfen - Die gefesselte Göttin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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Ehefrauen reicher Kaufherren. Seite an Seite standen sie mit Lastenträgern aus den Frachthöfen, Fischern, Bauern und kleinen Hand werkern.
    Die leisen Gespräche in der Menge wurden durch die besondere Akustik der Zisterne zu einem Brausen, das an Meeresbrandung an einem stürmischen Tag erinnerte. Bidayn zog sich auf die oberste Treppenstufe zurück und ließ ihren Blick schweifen. Sie konnte Zarah nicht entdecken. War nicht diese Zisterne ihr Ziel gewesen? War sie an dem alten Mann etwa vorbeigegangen?
    Bidayn musterte den Kanal, aus dem sie getreten war. Es mussten Überlaufrohre sein, durch die die Zisterne geleert wurde, wenn der Wasserstand zu hoch war. Wie konnte man Trinkwasser nur mit den Abwasserkanälen verbinden? Unwillkürlich musste sie lächeln. Wieder suchte ihr Verstand irgendeine Banalität, um sich von der Gefahr abzulenken. Es mussten mehr als dreihundert Menschenkinder in der Zisterne versammelt sein. Wenn sie hier unten nur den geringsten Fehler machte, wäre sie tot! Diese Sekte, die sich den Grünen Geistern verschrieben hatte, wurde verfolgt. Sie galt als grausam und unberechenbar. Doch als Bidayn erneut den Blick über die Gesichter der Menschenkinder wandern ließ, stutzte sie. Was sie sah, passte nicht zu den Gerüchten über die Grünen: Sie wirkten friedlich.
    Plötzlich verstummte das Raunen. Weit draußen auf der dunklen Wasserfläche der Zisterne war ein Licht erschienen.
    »Löscht die Lichter«, rief irgendjemand in der Menge. Fackeln erstickten zischend im Wasser. Die Flammen von Öllämpchen wurden zwischen schwieligen Fingern zerdrückt.
    »Er kommt«, flüsterte der Mann neben Bidayn. Dabei sah er sie nicht an. Sein Blick war auf das ferne Licht gerichtet, sein Antlitz verzückt. »Er kommt, der Auserwählte«, murmelte er noch einmal.
    Der flache Nachen war bis auf dreißig Schritt herangekommen. Ein großer, junger Menschensohn stakte ihn durch das dunkle Wasser. Neben ihm kniete eine Frau in einem makellos weißen Gewand. Bidayn stockte der Atem. Es war Zarah, und es war sie auch wieder nicht! Nun sah sie wie ein junges, unschuldiges Mädchen aus. Nichts war von der verführerischen Frau geblieben, der die Mächtigen der Stadt zu Füßen lagen. Und nichts von der Verkleidung, mit der sie in die Tunnel geschlüpft war. Hinter ihr, aufrecht stehend, blickte ein hagerer Mann mit zerzaustem Bart der Menschenmenge entgegen. Er trug eine schlichte, graue Tunika. Er hatte etwas an sich, das Bidayn nicht in Worte fassen konnte. Man konnte den Blick nicht von ihm abwenden. Jede seiner Gesten schien eine Verheißung. Er war eins mit sich und dieser Welt. Menschgewordene Harmonie.
    »Meine Kinder«, sagte er und weitete die Arme, als wolle er sie alle umfangen. »Wieder seid ihr mehr geworden. Ihr macht das Herz unserer Mutter weit vor Freude.«
    Ein Schauer überlief Bidayns ganzen Körper. Sie war versucht, ihr Verborgenes Auge zu öffnen. Konnte dieser Mann Zauber weben? Es hieß, den Menschenkindern sei diese Gabe auf immer verweigert. Doch bei ihm schien das anders.
    Fasziniert lauschte Bidayn seinen Worten. Mit voller, warmer Stimme sprach er von der Liebe zu allem Lebenden und dass die Natur sich gegen die Menschen wenden würde, wenn sie weiterhin so tiefe Wunden in das Land schlagen würden. Er verglich das Land mit dem Leib der großen Göttin.
    »Was macht ihr, wenn euch eine Laus beißt?«, rief er den Gläubigen zu. »Ihr werdet sie zerquetschen! Aber um wie viel kleiner sind wir als Läuse. Und was macht ihr, wenn ihr Läuse jagt? Ihr sucht nach den Stellen, wo viele von ihnen sind, sucht nach den Nissen. Wo aber sind viele von uns? In den Städten, bei den Tempeln, deren verblendete Priester nicht die Wahrheit dieser Welt begriffen haben! Nangog wurde nicht für Devanthar oder Götterdrachen erschaffen. Ihre Macht ist hier begrenzt, und wenn Nangog sich nur ein einziges Mal im Schlaf bewegt, dann fällt der Kopf des Löwenhäuptigen. Sie wird sich wieder regen. Sie beginnt zu erwachen. Es ist jemand gekommen, der sie wecken wird!«
    Bidayn hatte das Gefühl, dass der Priester bei diesen Worten genau in ihre Richtung sah. Sie zwang sich zur Ruhe. Sie durfte jetzt nichts Auffälliges tun.
    Der Nachen hatte die breite Ufertreppe fast erreicht. Etliche der Gläubigen traten ins Wasser. Sie streckten dem Priester die Hände entgegen, wollten von ihm berührt werden, um ihn mit allen Sinnen zu erfassen.
    »Nangog weiß um dich, Amur. Und um dich, Elias, und auch um Tarak und

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