Drachenelfen - Die gefesselte Göttin (German Edition)
war?
Vor dem Tor zum Haus der Seidenen lungerten einige der Schläger herum, die Kolja stets bei seinen Besuchen begleiteten. Nandalee hasste es, wie die Kerle sie ansahen, wenn sie aus der Sänfte stieg und durch das Tor ging. Sie musste mitten zwischen ihnen hindurch. Sie betatschten sie, machten anzügliche Bemerkungen und verglichen sie mit Frauen, deren Namen sie nicht kannte und deren besondere Eigenarten sie geflissentlich überhörte. Sie war sich sicher, dass sie diese Drecksschweine binnen Augenblicken und ganz ohne Waffen ins Jenseits befördern könnte. Sie hatte sich oft genug mit Ailyn gemessen, der Meisterin des waffenlosen Kampfes. Jener Drachenelfe, die gemeinsam mit Gonvalon gekommen war, um sie vor den Trollen zu retten, und die sie in der Weißen Halle so gnadenlos verprügelt hatte. Nandalee seufzte. Hier durfte sie nichts dergleichen tun, und so stieg sie rasch die Treppe hinab, die zu den Gemächern führte, die ihnen die Seidene überlassen hatte. Aus der oberen Etage erklang das lustvolle Stöhnen der Hausherrin. Fleisch klatschte auf Fleisch. Wie konnte Zarah nur dieses Narbengesicht ertragen. Bevor sie Nangog verließ, sollte sie ihm die Kehle durchschneiden, dachte Nandalee gereizt. Wenigstens diesen einen Gefallen konnte sie Zarah für ihre Gastfreundschaft gewähren. Überhaupt hatte dieser Hurenbock dem Haus doch fernbleiben wollen, um den Geschäften und dem Ruf der Seidenen nicht zu schaden. Offensichtlich hatte seine Lust über die Vernunft gesiegt.
Ihre Gefährten erwarteten Nandalee in eigenartig gedrückter Stimmung.
»Ein Prediger der Menschenkinder hat von uns gesprochen. Wir sind die Fünf, die angeblich diese Welt verändern sollen«, sagte Gonvalon, kaum dass sie die Tür hinter sich geschlossen hatte. »Bidayn war dabei.«
»Wir sollten hier verschwinden«, sagte Nodon entschieden, nachdem Nandalee alles über Bidayns Abenteuer in den Kanälen erfahren hatte. »Wir sind hier nicht mehr länger sicher. Zarah gehört zu denen, die die Grünen Geister anbeten. Auch sie hat die Prophezeiung über die Fünf gehört, und sie wird sich bereits ihren Reim darauf gemacht haben, wer damit gemeint ist.«
»Hat sie das nicht von Anfang an?«, widersprach Nandalee. »Nangog hat sie uns geschickt, weil sie eine ihrer Auserwählten ist. Weil sie ihr vertraut.«
»Es gibt noch einen zweiten Grund zur Sorge: Wir befinden uns in genau dem Haus, in dem der Menschensohn ein und aus geht, der dich, Bidayn und Gonvalon schon einmal gesehen hat. Einer von euch hat ihm damals den Arm abgehackt!« Nodon war völlig außer sich. »Was glaubt ihr, was geschehen wird, wenn er euch wiedererkennt? Wir müssen uns ein anderes Quartier suchen.«
»Ist das klug?«, mischte sich nun Lyvianne ein. Sie wirkte vollkommen ruhig, als sie alle der Reihe nach ansah. Sicherlich hatte Bidayn ihr als Erste ihre Entdeckung mitgeteilt. Sie hatte die meiste Zeit gehabt, mit kühlem Kopf die neue Entwicklung zu überdenken. »Jetzt gibt es also Hunderte Menschenkinder, die darauf warten, dass fünf Fremde ihnen die vermeintliche Erlösung bringen. In deren Augen können wir überall in der Stadt sein. Bidayn hat gesehen, dass die Anhänger Nangogs aus allen Schichten der Gesellschaft kommen. Wenn wir fünf auffällige Gestalten uns ausgerechnet jetzt auf die Suche nach einem neuen Quartier machen, ist das blanke Unvernunft! Ich plädiere dafür, dass wir hierbleiben. Und sollte dieser Kolja, der die Hausherrin jeden Tag besucht, zu einem Problem werden, wäre es mir ein Vergnügen, eine endgültige Lösung zu finden.«
Bei ihren letzten Worten lächelte sie auf eine Art, die Nandalee einen Schauer über den Rücken jagte. Warum hatte sich Bidayn unter all den Meisterinnen und Meistern der Weißen Halle ausgerechnet Lyvianne als Lehrerin ausgewählt? Daraus konnte nichts Gutes erwachsen. Lyvianne hatte schon lange den Pfad des Lichtes verlassen. Sie fand Gefallen daran, sich kalt und unbarmherzig zu zeigen. Und sie würde Bidayn mit in die Dunkelheit ziehen.
Wieder musste Nandalee an den Text der zerbrochenen Tontafel denken: Und als das Lebende Licht sah, dass der Schrecken nicht gebannt war, nahm sie den Mann, von dem das Dunkel nicht weichen wollte, und schloss ihn in einen Stein, damit das Dunkle im Dunkel vergehe. War von jener Art von Dunkel die Rede, das auch Lyvianne in sich trug?
»Lyvianne hat recht«, stimmte Gonvalon zu. Es schmerzte Nandalee, dass er sich auf die Seite der Zauberweberin schlug. Was
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