Drachenelfen - Die gefesselte Göttin (German Edition)
Menschenkinder sollten nicht auf dieser Welt sein«, nahm Bidayn Nodons Frage auf. »Du weißt so gut wie ich, Nandalee, dass der alte Pakt zwischen Devanthar und Alben ihnen verbietet, Nangog zu besiedeln. Diese Welt hätte auf immer unberührt bleiben sollen. Sieh aus dem Fenster! Sie treten diesen Pakt mit Füßen. Und jetzt kommen sie sogar in unsere Welt, um zu morden. Ist es wirklich das Feuer, über das du so aufgebracht bist? Oder liegt es nicht vielmehr daran, dass sich Lyvianne über deine Befehle hinweggesetzt hat.«
Nandalee musste schlucken. Bidayns Worte entsprachen zwar nicht ganz der Wahrheit, aber sie kamen ihr sehr nahe.
»Gonvalon und ich haben uns auch über deine Befehle hinweggesetzt«, unterbrach Nodon das Schweigen, das sich über die kleine Gruppe gelegt hatte. »Alle rebellieren gegen dich, Nandalee. Wann wirst du endlich einsehen, dass es die falschen Befehle waren, die du erteilt hast? Vorsicht in allen Ehren, aber wir können es uns nicht leisten, im Namen der Vorsicht auf der Stelle zu treten.«
»Und wir können es uns auch nicht leisten zu versagen.« Nandalee tastete instinktiv nach dem Amulett aus Blei an ihrem Hals. Jeden Abend war ihre Haut darunter dunkel. Hatte das Amulett auch auf ihren Verstand abgefärbt? War sie nicht mehr in der Lage, klar zu denken?
»Wir müssen Lyvianne helfen«, bat Bidayn. »Sie schafft es nicht alleine. Der Mann im Stein wird sie töten. Wir sind Drachenelfen. Und das heißt, wir lassen niemanden zurück!«
»Weißt du, was Drachenelfen auch nicht tun?«, fuhr Nandalee Bidayn an. »Sie verraten nicht ihre Gefährten. Sie gefährden nicht ihre Mission. Sie ignorieren nicht die Befehle der Himmelsschlangen. Nodon und Gonvalon haben gestern Nacht ein Feuer im Weltenmund angezündet. Du und Lyvianne, ihr habt fast ein ganzes Viertel niedergebrannt. Aber was Lyvianne jetzt tut, setzt alldem die Krone auf. In den Išta-Tempel zu gehen, um dort den Ort, an dem die dunkelsten Geheimnisse bewahrt werden, zu schänden, das ist dasselbe, als würde sie ein Leuchtfeuer für die Devanthar entzünden! Damit Išta auch ja nicht entgeht, dass hier ungewöhnliche Dinge geschehen.
Wir werden noch in dieser Stunde dieses Quartier verlassen, denn hier sind wir nicht mehr länger sicher. Und wir können Lyvianne nicht zu Hilfe eilen, um uns alle in dem sinnlosen Kampf zu opfern, den sie angezettelt hat.« Sie sah ihre Gefährten der Reihe nach an. Nandalee war nicht nur fassungslos, sondern auch enttäuscht. Am meisten von Gonvalon. Warum hatte er, um seiner früheren Liebe die letzte Ehre zu erweisen, die Mission gefährdet? Bedeutete sie, die lebte, weniger als die tote Talinwyn?
Alles lief aus dem Ruder. Vielleicht hatte Nodon recht, und sie war eine schlechte Anführerin. Von nun an würde sie die Zügel straffer in die Hand nehmen.
»Bidayn, du wirst dich als Tagelöhner verkleiden und auf einem unserer Beobachtungspunkte Posten beziehen, den ich dir noch benennen werde.«
»Aber wir haben doch schon sichere Orte, von denen wir …«
»Du wirst dich an keinem Platz aufhalten, den Lyvianne kennen kann«, unterbrach Nandalee sie. »Nach allem, was du erzählt hast, scheint dieses Ding ihre Lebenskraft zu stehlen. Vielleicht raubt es ihr auch den Verstand oder den Körper? Wir können also nicht wissen, was hierherkommt, selbst wenn wir glauben, Lyvianne zu sehen.«
Nandalee überlegte, wo die neuen Beobachtungsposten sein sollten. Noch an ihrem Ankunftstag hatten sie sieben Punkte im Umkreis von hundert Schritt Abstand zum Haus der Seidenen festgelegt. Allen war gemeinsam, dass man unbemerkt den einzigen Hauseingang beobachten konnte. Jetzt würden sie auf sehr viel mehr Abstand gehen müssen.
Und als das Lebende Licht sah, dass der Schrecken nicht gebannt war, nahm sie den Mann, von dem das Dunkel nicht weichen wollte, und schloss ihn in einen Stein, damit das Dunkle im Dunkel vergehe. Nandalee wusste, es waren diese verfluchten Worte, die Lyvianne dazu getrieben hatten, das Dunkel zu suchen. Und dieses Dunkel konnte jeden Augenblick hier erscheinen. Konsequent wäre es, sich ganz und gar zurückzuziehen. Aber Drachenelfen ließen einander nicht im Stich. Sollte Lyvianne überleben und hierher zurückkommen, ohne verfolgt zu werden, dann würden sie es sehen und sich ihr vorsichtig nähern, um herauszufinden, ob sie besessen war.
Klüger war es, zunächst einmal vom Schlimmsten auszugehen. Alle ihre Pläne waren Asche, ihnen blieb nur noch, das
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