Drachenelfen - Die gefesselte Göttin (German Edition)
Sie griff nach dem Wasserschlauch, ließ ihn aber wieder sinken. So rasch durfte sie nichts trinken. Bis zur Zeit der größten Hitze waren es noch mindestens zwei Stunden. Das war die erste ihrer selbstauferlegten Prüfungen: Bis Mittag sollte sie den Wasserschlauch nicht anrühren. Sie riss einen breiten Streifen vom Saum ihres fahlgrünen Jagdhemdes und wickelte ihn sich um Mund und Nase. So würden ihre Schleimhäute weniger schnell austrocknen.
Bald schon war der Stoff von ihrem Atem feucht. Es mochte eine halbe Stunde vergangen sein, bis sie eine Veränderung bemerkte. Der Sand unter ihren Füßen vibrierte. Er bewegte sich, obwohl nicht der geringste Lufthauch über die weite Ebene strich. Nandalee kniete nieder, um das Phänomen genauer zu betrachten. Die Sandkörner tanzten, als lägen sie auf einem Blech, gegen das von unten mit einem Trommelstock geschlagen wurde.
Nandalee öffnete ihr Verborgenes Auge. Das Muster der Kraftlinien hatte sich drastisch verändert! Sie waren kein weitmaschiges Netz mehr, sondern erinnerten an Strahlen, die alle auf einen Punkt zuliefen. Auf sie! Etwas hatte sie aufgespürt. Nandalee beschleunigte ihre Schritte, um aus dem Zentrum der Linien zu entkommen, aber selbst als sie zu laufen anfing, wollte es ihr nicht gelingen. Sie spürte, wie eine Macht sich immer mehr aufbaute, hatte aber keine Ahnung, auf welche Art sie sich gegen sie wenden würde. Sie konnte keinen Schutzzauber wirken, wenn sie nicht wusste, wie sie angegriffen wurde.
Ein Stück voraus ragte einer der knochenbleichen Felshügel aus dem Sand. Festen Boden unter den Füßen zu haben konnte nicht schaden. Sie hatte das Gefühl, dass der Sand unter jedem ihrer Schritte ein wenig mehr nachgab. Plötzlich überfiel sie die Vorstellung, dass sich unter ihr ein Strudel aus Sand bilden würde, um sie für immer zu verschlingen.
Keuchend erreichte sie das flache Felskliff, kletterte hinauf. Der Sand hatte den Stein in Jahrtausenden glatt poliert. Es gab nur wenige Griffe dort, wo der Fels unter der Einwirkung von Hitze und Kälte aufgeplatzt war. Auf der Kuppe ließ sie sich nieder und blickte über das Sandmeer. Der Jadegarten war noch nicht zu sehen. Kein Lebewesen regte sich. Nicht einmal ein Vogel war am Himmel zu sehen. Sie saß inmitten der Todeszone, nur mit einem Wasserschlauch und ihrem mörderischen Übermut. Niemandem würde es einfallen, hier nach ihr zu suchen. Es konnte Wochen dauern, einen Pegasus zu fangen. Das war nicht ungewöhnlich. Niemand würde sich also Sorgen um sie machen. Alle würden denken, dass sie irgendwo in der Savanne war, wo es ausreichend Wasser und Wild gab. Eine Weile fluchte Nandalee vor sich hin, dann siegte ihr Pragmatismus. Sie musste sich aus eigener Kraft aus dieser Lage befreien. Nandalee öffnete ihr Verborgenes Auge und betrachtete das Sandmeer. Der Lauf der Kraftlinien veränderte sich wieder. Sie fanden in ihr natürliches Muster zurück. War der Sand der Schlüssel zu dem Zauber? Wandte er die Magie des Landes gegen sie, sobald er sie spürte?
Etwa eine halbe Stunde dauerte es, bis keine Spur des Zaubers mehr zu entdecken war. Nandalee blickte zum nächsten Felskliff, das sich über den Sand erhob. Es lag etwa eine Meile entfernt und würde sie ein paar Grad in die falsche Richtung führen, fort vom Jadegarten. Sie erinnerte sich, dass es rings um die Oase nichts als Sandwüste gab. Mindestens zehn Meilen weit war dieser letzte Abschnitt, der an die Todeszone anschloss. Dort gäbe es keine rettenden Felsinseln mehr, auf die sie flüchten könnte.
Doch darüber würde sie sich Sorgen machen, wenn sie dort ankam. Vielleicht reichte der Zauber ja gar nicht bis dort? Und zunächst einmal konnte sie ja von Fels zu Fels laufen.
Nandalee betrachtete nachdenklich den Wasserschlauch. Wenn sie so oft eine Rast einlegen musste, damit sich der Sand jeweils wieder beruhigen konnte, würde sie ihr Ziel allerdings nicht mehr heute erreichen. Es wäre besser, mit dem ersten Schluck so lange wie möglich zu warten, auch wenn ihre Kehle schon völlig ausgedörrt war.
D ie Kriegerin
Sie war am Ende, dachte Nandalee, und stemmte sich mit letzter Kraft gegen die Gewalt des Sturms. Sie hatte einen unsichtbaren Kokon gewoben, einen Wall aus magischen Schutzlinien, um den wütend auf sie einstürmenden Sand fernzuhalten. Doch mit jedem Schritt schwanden ihre Kräfte. Der Kokon wurde enger, und der Sand rückte näher.
Einzelne Körner durchstießen ihren Schutzwall und bohrten sich wie
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