Drachenelfen - Die gefesselte Göttin (German Edition)
mit einem Pferd vor dem Tor auf ihn. »Wir haben ihnen über fünfhundert Rinder gestohlen«, rief er begeistert gegen das Fauchen der Flammen. Der Platz vor dem Tor war in unstet tanzendes Licht getaucht. »Wir werden …«
Ein Pfeil schnitt ihm das Wort ab. Er war fast bis zur schwarzen Befiederung in seine Brust gedrungen. Volodi packte die Zügel von Fedors Pferd und zog es hinter sich her, fort von der Festung und dem Bogenschützen auf dem Torturm in die schützende Dunkelheit.
Erst als sie den Hügel erreichten, wagte Volodi anzuhalten. Fedor war nach vorn auf die Mähne seiner Stute gesackt. Der Drusnier stieg ab und hob den Jungen von seinem Pferd. Blut rann ihm von den Lippen. Der Pfeil hatte ihm die Lunge durchbohrt.
»Ich …«
»Nicht reden, du brauchst deine Kraft, um wieder gesund zu werden.«
Fedors Augen wurden so weit wie an dem Tag ihrer ersten Begegnung, als er in ihm seinen Helden erkannt hatte. »War das … ein großer Sieg?«, stieß er unter Schmerzen hervor.
»Man wird überall in Drusna von Fedor von Bärenfurt und seinen tapferen Recken sprechen, die die Valesier besiegten, ihnen ihre Beute wieder abjagten und sie in ihrer eigenen Festung eingesperrt haben.«
Fedors Augen starrten, ohne zu blinzeln, in den Regen. Er hörte Volodi nicht mehr.
Hinter ihnen brannte der Turm der Festung lichterloh.
»Du hast die Fackel zum Aufstand entzündet«, sagte Volodi mit rauer Stimme. »Sie wird überall in Drusna leuchten.«
A uf der Suche nach dem Meer
»Du malst wirklich die schönsten Götterbilder der Stadt, Meister Šutarna!« Begeistert schob der Erste Schreiber die Pergamentrolle in eine lederne Schutzhülle. Er war ein relativ junger Mann, bei dem das gute Leben im Tempel bereits Spuren zu hinterlassen begann. Seine Hüften waren füllig, und deutlich zeigte sich der An satz eines Doppelkinns. Ganz im Schwarz der Schreiber des Tempels gekleidet, wirkte er dennoch ehrfurchtgebietend. Aus einem roten Etui an seinem Gürtel ragten zwei goldene Griffel – das Zeichen seines Amtes als Erster Schreiber des Išta-Tempels.
»Das Bild der Geflügelten wird einen Ehrenplatz erhalten«, fuhr er begeistert fort.
Talawain verneigte sich. »Ihr schmeichelt meinen bescheidenen Gaben, Erster Schreiber. Ich bin nur die Hand, die den Pinsel hält; ich bin sicher, die Göttin selbst ließ Schönheit in das Werk fließen, wenn es Euch so sehr gefällt.«
»Du bist zu bescheiden, Šutarna. Es ist ein Gewinn für unsere Stadt, dass du dich hier niedergelassen hast.« Der Aufseher der Schreibstube des Išta-Tempels senkte seine Stimme. »Nur hat man dich schlecht beraten, dass du dich ausgerechnet neben dem Haus des Verfluchten niedergelassen hast. Hat dir denn niemand von den besonderen Todesumständen des Knochenschnitzers erzählt?«
»Ich hörte davon erst, nachdem ich das Haus gekauft hatte.«
Der Erste Schreiber gab ein keckerndes Geräusch von sich, das wohl Missbilligung ausdrücken sollte. »Ich hoffe, du hast keinen zu hohen Preis gezahlt. Die Läden in dieser Gasse gehen nicht mehr gut.«
»Ich fürchte, der Töpfer war ein besserer Geschäftsmann als ich.«
»Ein guter Töpfer war er jedenfalls nicht«, sagte sein Gegenüber stirnrunzelnd. »Es ist doch immer dasselbe mit euch Künstlern. Habt ihr wirklich Talent in eurem Fach, seid ihr in Geschäftsdingen arglos wie Kinder.«
»Ich fasse das als ein Kompliment auf«, sagte Talawain demütig.
»So ist es auch gemeint.« Er klopfte auf die Lederrolle. »Morgen früh werde ich dieses Bild im Priesterkollegium zeigen. Wir suchen noch nach einem Geschenk für den Unsterblichen Ansur, den Herrscher Valesias.«
Talawain blickte überrascht auf. »Das ist sehr weit fort von hier.«
Der Erste Schreiber lächelte selbstgefällig. »Zum Opferfest im Frühling werde ich zusammen mit den bedeutendsten Priestern dorthin reisen. Der Unsterbliche Ansur feiert ein Fest zur Einweihung des Weißen Selinunt. Ein Fest, wie es unsere Welt noch nicht gesehen hat. Alle Unsterblichen werden sich dort versammeln, und selbst die Götter werden anwesend sein, um mit uns zu feiern. Der Hofstaat des Unsterblichen Labarna hat schon begonnen, Vorbereitungen für die Reise zu treffen. Zur Mitte des Winters werde auch ich an den Hof abberufen werden, um mit meinen bescheidenen Gaben zu helfen. Aber zurück zu dem Bild. Ich werde dir eine große Tierhaut bringen lassen. Darauf sollst du mit deinen schönsten Farben Išta und den adlerköpfigen Devanthar der
Weitere Kostenlose Bücher