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Drachenelfen - Die gefesselte Göttin (German Edition)

Drachenelfen - Die gefesselte Göttin (German Edition)

Titel: Drachenelfen - Die gefesselte Göttin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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wieder an ihr Fenster. Sie mochte den Blick über das weite Tal. Er hatte ihr in den letzten Wochen Frieden gegeben. Tief atmete sie die schneidend kalte Luft des weichenden Winters ein. Sie betrachtete den steilen Berg, der wie ein riesiger Turm das Tal überragte. Der Wind ließ Schneewirbel um seinen Gipfel tanzen. Sie dachte an Shen Yi Miao Shou, den Heiler vom Seidenfluss, den ihr Vater vor fast einem Jahr an den Wandernden Hof berufen hatte, um ihre Jungfräulichkeit wiederherzustellen. In der Nacht seines Todes hatte er ihr sein Wissen über die Heilkunde geschenkt. Es war eine magische Nacht gewesen, und bis heute vermochte sie sich nicht zu erklären, wie genau dies vonstattengegangen war. Sie wollte es auch gar nicht genau wissen, denn jedes aufgedeckte Geheimnis entzauberte die Welt ein wenig mehr.
    Karas Schritte erklangen auf dem Flur. Sie trug ein Brett herein, auf dem mehrere feuchte Tontafeln lagen, und stellte es auf dem Tisch in der Mitte des Zimmers ab.
    »Bist du bereit?«
    Die Mutter der Mütter zog einen der beiden schön geschnitzten Elfenbeingriffel aus dem Etui an ihrem Gürtel. »Lass uns dein Vermächtnis vollenden.«
    Ihre Feierlichkeit rührte Shaya. Sie konnte sie nicht ansehen, oder sie würde von der Traurigkeit angesteckt werden, gegen die die Priesterin, die zu ihrer Freundin geworden war, nicht einmal anzukämpfen versuchte.
    Shaya wandte sich ab, blickte zu dem fernen, windumtosten Gipfel und begann, leise zu sprechen. »Die Allwurzel ist von Magie durchdrungen und von großer Heilkraft. Sie ähnelt in ihrer Gestalt dem Leib eines Menschen. Ihr Blattwerk ist unscheinbar. Sie gedeiht nur an schattigen Orten im Wald. Man benötigt Tageslicht, um sie zu finden, doch die beste Zeit, sie zu ernten, ist eine mondhelle Nacht. Wer bei Tage eine Allwurzel entdeckt, der soll eine rote Schnur um sie schlingen. Die Schnur bannt ihre Magie. Tut man dies nicht, so wird sich die Wurzel davonschleichen und in der Erntenacht nicht mehr zu finden sein.«
    Sie wünschte, sie wäre eine Allwurzel, dachte Shaya, und dass sie sich einfach davonschleichen könnte. Ihre Hände schlossen sich fest um das Fenstersims. Sie kämpfte gegen den süßen Schmerz in ihrer Brust an. Was für kindische Gedanken, schalt sie sich stumm. Dann fuhr sie fort, ruhig über die Allwurzel zu sprechen, die richtig angewandt so viele Krankheiten zu besiegen vermochte.

E in Becher voll Wein
    Iwar mochte die verdammten Berge nicht. Und er mochte es nicht, den Abgrund zwischen den Welten zu überschreiten. Er war der Unsterbliche von Drusna, und nun war er ausgerechnet in Valesia, dem Land, dessen Herrscher ihm den letzten Stolz genommen hatte. Alle hier wussten das! Wenn es möglich wäre, würde er überhaupt nicht vor sein Zelt treten und sich ihren hämischen Blicken ausliefern.
    Wann immer er zurückdachte, konnte er nicht klar benennen, wann sein Unglück angefangen hatte. Hatte er sich zum Krieg verleiten lassen? Immer schon hatte es Streitigkeiten an der Grenze zwischen Drusna und Valesia gegeben: Viehdiebstähle, kleinere Plünderzüge und Scharmützel. Es war Arcumenna, der die Regeln in diesem Spiel verändert hatte. Mehr und mehr Krieger waren in die Kämpfe hineingezogen worden, und Arcumenna siegte immer. Das hatte es vorher noch nicht gegeben. Zuletzt war Iwar keine Wahl geblieben, als einem Frieden zuzustimmen, bei dem ihr Reich noch schlimmer ausgeplündert wurde als während der Kriegszüge. Er hatte die Arbeiter ernährt, die diese verfluchte Weiße Stadt erbaut hatten, in der sie morgen feiern sollten. Er wollte nicht dort sein, und doch musste er. Der Große Bär, sein Devanthar, war sehr deutlich geworden, was das Fest anging.
    Iwars Finger trommelten gegen das kleine Glasfläschchen, das Arcumenna ihm gerade erst gebracht hatte. Nun sollte er den beliebtesten Mann seines Königreiches vergiften, den Hauptmann seiner Leibwache, Volodi von Drei Eichen. Jeder einzelne Drusnier, ob jung oder alt, kannte Volodis Namen. Er war der Erste seit Jahren gewesen, der die Valesier besiegt hatte. Aber er war ja auch nicht gegen Arcumenna angetreten, dachte Iwar säuerlich. Volodis Siege zählten nicht! Verdammter, falscher Held. Er hatte genug davon, ihn jeden Tag um sich zu haben. Mit anzusehen, wie er für alle bei Hof eine Lichtgestalt war.
    Iwar strich sich über den Wanst. Er war fett geworden, das stimmte. Aber er wusste, wie man einen Bauch wieder klein schwitzte. Er musste raus in die Wälder, wenn das alles

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