Drachenelfen - Die gefesselte Göttin (German Edition)
Himmelsschlangen uns verraten haben. Nach allem, was ich mit dem Goldenen erlebt habe, vertraue ich ihnen nicht mehr. Wenn ich irre, bin ich vor Sonnenuntergang wieder zurück und stelle mich deinem Zorn. Und wenn nicht …« Er stockte. Rang um Worte. »Und wenn ich nicht zurückkomme, dann war es besser so.«
Sie spürte seine Verzweiflung. Sie war nicht wütend. Sie wollte ihn zurückhalten, denn er würde eine Dummheit begehen!
»Hab keine Sorge um mich. Durch die Tat Matha Nahts bin ich kein magisches Geschöpf mehr. Dieses eine Mal wird es mein Vorteil sein. Die Devanthar können mich im Gegensatz zu dir nicht erkennen, wenn sie ihr Verborgenes Auge öffnen.« Er klang ganz so, als wolle er sich mit diesen Worten selbst Mut machen.
Gonvalon kroch aus ihrem Versteck, suchte am Berghang einige kopfgroße Bruchsteine und schichtete sie vor Nandalee auf, um ihre Deckung hinter dem Busch zu verbessern. Noch einmal kam er zu ihr zurück und küsste sie. Dann ging er im letzten Sternenlicht davon.
S hayas Tod
Irgendetwas musste schiefgegangen sein. Seit Stunden lag Shaya nun schon versteckt zwischen den Felsen und beobachtete das Tal. Es war überdeutlich, dass dies kein Tag wie jeder andere im Haus des Himmels war. Alle Priesterinnen hatte ihre orangegelbe Festtracht angelegt. Eine Farbe, die aussah, als wollten sie mit Gewalt den noch fernen Sommer heraufbeschwören.
Shaya blickte zu dem Scheiterhaufen, der nahe einem Altar aus schlichtem, grauem Stein errichtet worden war. Den Morgen über hatten die Priesterinnen die Bäume und Büsche im Garten mit bunten Seidenbändern geschmückt. Dreimal waren sie in langer Reihe betend rund um das Kloster gezogen und hatten dabei lange Räucherstäbe abgebrannt, um die Geister des Winters zu vertreiben. Plötzlich ertönte ein so lauter Gongschlag, dass er selbst hoch in den Felsen noch deutlich zu hören war. Shaya wusste von Kara, dass er den Beginn der Zeremonie einleitete. Wie konnten sie anfangen? Sie hätten doch längst den Daimon in ihrem Zimmer entdecken müssen! Was war da vorgefallen? Diese Zeremonie konnte nicht stattfinden!
Unter dem Tor des Tempels erschien eine Prozession, angeführt von Kara, der Mutter der Mütter. Ihr folgten die Krieger Labarnas in Bronzerüstungen, auf denen sich hell die Sonne spiegelte. Leuchtend rote Federn wippten von ihren Helmen. Sie wa ren mit Speeren bewaffnet und trugen große Schilde aus Kuhhaut. Zwischen ihnen, ein wenig verloren wirkend und einen Kopf kleiner als ihre Wächter, ging eine weiß gewandete Frau. Shaya stockte der Atem. Dort unten ging sie! Der Daimon hatte ihre Gestalt angenommen!
Er hatte sie belogen! Von Anfang an musste es sein Plan gewesen sein, an ihrer Stelle zum Opferplatz zu gehen. »Prinzessin Shaya wird für immer aus dieser Welt verschwinden«,hatte er ihr gesagt. Es war die Wahrheit gewesen, auch wenn sie die Bedeutung dieser Worte anders aufgefasst hatte.
Sie würde nicht unsichtbar werden, und er hatte nie vorgehabt, das Märchen von einem prinzessinnenverschlingenden Daimon zu erzählen. Ihr Verschwinden aus der Welt würde vor über hundert Zeugen stattfinden. Sie schluckte, kämpfte mit den Tränen. Es war zu spät, um noch etwas zu verhindern. Selbst wenn sie sich aus dem Versteck erhob und den mit Felsbrocken übersäten Hang hinablief, würde sie den Opferplatz nicht mehr rechtzeitig erreichen.
Der Daimon war gekommen, um ihr sein Leben zu schenken! Wenn Shaya vor so vielen Zeugen starb, würde es nie mehr irgendwelche Fragen geben. Er hatte alles geplant. Niemand hatte den Daimon kommen sehen. Niemand hatte gesehen, wie sie aus dem Fenster gestiegen war. Alle würden sie dieselbe Geschichte erzählen: dass die Kriegerprinzessin mit stolzerhobenem Haupt, ohne ein Zeichen von Angst zum Opferstein gegangen war.
Kara ging zu der falschen Shaya, nahm sie in die Arme und verabschiedete sich von ihr. Dann legte sich der Daimon auf den Opferstein. Labarnas Krieger kamen und hielten ihn an Armen und Beinen fest, obwohl er kein Anzeichen von Widerstand zeigte.
Kara wurde feierlich das Opfermesser überreicht. Sie trat neben den Altar. Dreimal hob sie die goldene Klinge und dreimal ließ sie sie wieder sinken. Sie konnte es nicht über sich bringen. Ein Mann mittleren Alters, leicht untersetzt, im Festgewand eines Išta-Priesters, löste sich aus der Gruppe der Gäste, die wohl mit Labarnas Kriegern gekommen waren. Er nahm der Mutter der Mütter das Messer ab, streckte die Klinge dem Himmel
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