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Drachenelfen

Drachenelfen

Titel: Drachenelfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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hinter sich zu lassen. Die Erde schmatzte bei jedem seiner Schritte, quoll zwischen seinen Zehen hindurch, als wolle sie ihn halten. Deutlich konnte Artax jetzt die Lichtung sehen. Tiefschwarze Felsbrocken ragten zwischen goldenen Ähren. Ein paar Tage noch, dann könnte er ernten. Zwei Wagenladungen mit Weizensäcken würde allein diese Lichtung bringen. Aber es war eine verdammte Plackerei. Die Felder waren weit verstreut und jeder der Waldbauern, die hier lebten, hatte mit seiner eigenen Ernte zu kämpfen. Man traf sich nur selten in der Erntezeit, etwa wenn man sich mit dem Vieh aushalf oder in der Gaststube beieinandersaß. Doch der Weg zur Gaststube war weit und er selbst in der Erntezeit meist so erschöpft, dass er wochenlang niemanden sah. Außer seinen Tieren natürlich, die aber vor allem eines von ihm wollten: versorgt sein. Der Hund, den er sich mitgebracht hatte, um weniger einsam zu sein, war gleich in der ersten Woche verschwunden. Vielleicht hatten die Grünen Geister ihn geholt? Artax lächelte, als er sich für einen kurzen Augenblick seinen Tagträumen hingab. Er, der von der Arbeit nach Hause kam, und seine Frau, die bereits mit dem Essen auf ihn wartete. Die Kinder, die ihn willkommen hießen, und die beiden ältesten, die sich bereits um die Tiere gekümmert hatten. Bei Tisch würden sie einander von den Erlebnissen des Tages erzählen und später dann, wenn die Kinder zu Bett gegangen waren, würde er mit seiner Frau beieinandersitzen und glücklich sein. Das einfache Leben eines einfachen Mannes – ein gutes Leben, wie Artax fand. Über die Jahre hin hatte die Frau seiner Träume, die anfangs nur aus Eigenschaften bestand – wie eine gute Köchin und selbstverständlich auch treu zu sein –, immer konkretere Formen angenommen. Drahtig war sie, mit kleinen, festen Brüsten und langem schwarzen Haar, das sie nach hinten band, damit es
sie bei der Areit nicht störte. Ein lebhaftes Gesicht hatte sie und einen eigenen Kopf. Sie neckten einander oft, und dass er dabei manchmal auch den Kürzeren zog, störte ihn nicht. Sie hatte eigene Träume, eigene Ziele und Vorstellungen, und auch wenn sie ihn manchmal öfter infrage stellte, als ihm lieb war, erweiterten ihre Gedanken doch seinen Horizont und beflügelten ihn. Und sie hatte Prinzipien, klare Vorstellungen von Gut und Böse, die sich mit den seinigen deckten. Das war ihm wichtig. Manchmal sprachen sie auch über Dinge, die Bauern nicht zustanden. Was falsch lief im Dorf und in der Welt und wie man zumindest ihr Dorf zu einem besseren Ort machen könnte. Und wenn dann der Schalk in ihren dunklen Augen aufblitzte, sie ihn küsste und sich an ihn drängte, dachte er manchmal, dass es der freie Geist und ihre Unbeugsamkeit war, die er am meisten an ihr liebte. In Gedanken nannte er sie Almitra. Seine kleine, dickköpfige, unerschütterliche Almitra. Lachend schüttelte er den Kopf und schalt sich einen Narren. So würde er niemals eine Frau finden, dachte er, denn wie sollte eine Bäuerin je der Frau seiner Träume gerecht werden können? Die Bauersfrauen, die er kannte, hatten wogende Brüste und Schenkel wie Berge und sie sprachen über Krankheiten, von Kindern und Vieh. In ihren Tagträumen dachten sie sicherlich an eine kräftige Sklavin, nicht so hübsch, dass sie ihren Mann verwirrte, die an ihrer Stelle zum Brunnen ging oder zum Waschplatz am Fluss, oder einfach an ein besseres Leben an der Seite eines wohlhabenderen Mannes. Am Abend waren sie ebenso erschöpft vom Tagwerk, wie er selbst es war, und hatten keine Zeit und vermutlich auch keinen Sinn für Gedanken über die Welt und den Sinn des Lebens. Ein Ast schlug ihm ins Gesicht und holte ihn zurück in die Wirklichkeit. Er strich ihn beiseite. Immerhin – die Furcht, die er gerade noch vor den Grünen Geistern empfunden hatte, war verschwunden.
    Artax trat ins Sonnenlicht und atmete erleichtert auf. Irgendwo hinter ihm im Wald erklang ein klagender Vogelruf. Etwas träufelte auf seine Wange. Regen? Er legte den Kopf in den Nacken.
Vereinzelte Wolken trieben tief über den Baumkronen des großen Waldes. Er wischte sich über die Wange. Die Finger waren rot. Das war Blut!
    Ungläubig starrte er zu den Wolken. Blutregen! Davon hatte er noch keine Geschichte gehört. Das war … Er hielt inne und starrte wie gebannt auf die dunklen Umrisse einer Gestalt,

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