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Drachenelfen

Drachenelfen

Titel: Drachenelfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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standzuhalten. Sie sah auf das schwarze Wasser, begegnete dort seinem Spiegelbild – und sie sah sich! Ihr Gesicht war von Schnitten entstellt, ihre Nasenspitze verschwunden, eine Augenbraue eine offene Wunde. Entsetzt blickte sie auf ihre Hände … Die Fingerkuppen. Sie schluchzte auf – ihre Hände!
    Wie habt Ihr den Weg hierher gefunden, Albenkind? Die Stimme des Drachen duldete keinen Gedanken, der nicht ihm galt. Nandalee vermochte sich nicht länger auf den Beinen zu halten. All ihre Kraft war versiegt. Sie sank auf die Knie. »Du hast mich hierhergebracht … Ich …«
    Durch ihre Glieder fuhren tanzende Flammen. Der Drache lachte!
    Ihr irrt, meine Holde. Tatsächlich hat Eure Andersartigkeit mich beschäftigt, aber seit einiger Zeit hatte ich nicht mehr an Euch gedacht. Seine Krallenhand fuhr erneut herab, legte sich sanft auf ihr Haupt, und nach dem heißen Strom seiner Gedanken war es nun Kälte, die sie durchfloss. Wieder kämpfte sie gegen Übelkeit an, dann wich die Kälte einer angenehmen Mattigkeit.
    Die Windungen seines Schwanzes bewegten sich mit leisem, schleifendem Geräusch über den Fels. Wie habt Ihr den Weg zu mir gefunden? Sprecht! , befahl er, und sie erzählte ihm von Bidayn und
der Kammer in der Bibliothek, vom Fenster und von Gonvalons Fluch.
    Der Dunkle wiegte sein mächtiges Haupt und senkte es dann ganz nah zu ihr herab. Seine kalten blauen Augen hielten sie gefangen. Er bleckte die Zähne, glänzend weiße, spitze Dornen, jeder von ihnen so lang wie ein Arm. Er war ein Jäger. Ein Raubtier. Das machtvollste Raubtier, das sie jemals gesehen hatte. Zugleich war er ein Wesen, dessen Geist so unendlich viel mehr Wissen in sich beherbergte, als in der ganzen Bibliothek der Weißen Halle verborgen lag. Und zum ersten Mal in ihrem Leben erahnte Nandalee das Wesen der Drachen. Ihre Kraft. Ihre Klugheit. Ihre Schönheit.
    Sanft zog der Dunkle sie mit seiner Kralle näher zu sich heran und sie ließ es geschehen. Ihr seid gefährlich , stellte die Himmelsschlange fest. Gefährlich, leidenschaftlich und im Ganzen sehr ungewöhnlich.
    Nandalee verstand nicht. Sie war nicht gefährlich – sie war in Gefahr. War verstümmelt und aus ihrer Zeit gerissen. Und sie war nicht hergekommen, um ihn zu bedrohen, sondern um ihn um seine Hilfe zu bitten. Für ihre Vermessenheit hatte sie einen hohen Preis bezahlt. Die Narben dieser Nacht würde sie bis ans Ende ihrer Tage tragen.
    Noch nie ist eine junge Elfe aus der Weißen Halle diesen Weg gegangen. Nodon und seine Drachenelfen, die hoch in den Felsen in einer Feste über mich wachen, wären entsetzt, wenn sie wüssten, dass Ihr so einfach an ihnen vorbeigekommen seid.
    Â»Einfach?«, fauchte sie und hielt ihm ihre Hände entgegen. »Das nennst du einfach?«
    Er musterte sie aufmerksam, fast liebevoll. Ich habe Eure Blutungen gestillt, aber Ihr werdet Narben an den Fingerkuppen und im Gesicht behalten, meine Holde. Sie sollen Euch bleiben, um Euch an Eure Unvernunft zu erinnern, der Ihr Eure Schönheit geopfert habt.
    Der Gedanke, für immer entstellt zu sein, überwältigte sie. Wie würde sie in Zukunft aussehen? Würde Gonvalon sie noch lieben? Ein Narbengesicht? Warum hatte der Drache sie nicht geheilt?
Das lag doch sicher in seiner Macht! Heiße Wut flammte in ihr auf. Sie war unvernünftig und launisch? Sie? »Welche Unvernunft? «, fuhr sie den Dunklen an. Sie war eine Jägerin wie er. Und sie würde sich nicht von ihm verspotten lassen. Auch dann nicht, wenn es ihr den Tod bringen würde. »Ich habe nichts Unvernünftiges getan! Das verdammte Fenster hat mich angelockt — und dann hat es versucht, mich zu töten!«
    Der Drache sah sie durchdringend an. Es lag kein Zorn in seinem Blick. Eher Mitleid. Das glaubt Ihr wirklich, nicht wahr, kleine Elfe?
    Kleine Elfe! »Es ist die Wahrheit!«, sagte sie.
    Da waren sie wieder, die tanzenden Flammen in ihrem Inneren, die sie kitzelten, statt sie zu verletzen. Die Augen des Dunklen funkelten wie das Firmament über der Steppe Carandamons. Ja, die Wahrheit. So leicht wird sie beschworen. Mit so viel Leidenschaft. Wahr ist, dass Eure Freundin Euch von dem Fenster erzählt und Eure Neugier geweckt hat. Wahr ist auch, dass Ihr das Wort der Macht nicht kanntet. Aber Ihr wusstet, was das Fenster zu tun vermag – im Guten wie im Schlechten. Und da war ein Wunsch in

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