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Drachenelfen

Drachenelfen

Titel: Drachenelfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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verlassen.
    Wahrscheinlich gibt es für alles eine ganz banale Erklärung, sagte sich Bidayn. Doch das ungute Gefühl wurde stärker und nistete sich wie eine Stachelkugel in ihrem Magen ein.
    Sie schloss die Tür zu Nandalees Zimmer und ging zurück zur großen Halle. Auf der Treppe kam ihr bereits Lyvianne entgegen. »Und? Was ist mit ihr?«
    Â»Sie ist nicht da«, flüsterte Bidayn. »Vielleicht … ist sie bei dem verborgenen Fenster …«
    Ihre Meisterin runzelte die Stirn, drehte sich um und eilte wortlos die Stufen hinab. Bidayn folgte ihr.
    In der Bibliothek war alles wie immer. Der Geruch nach Staub und Pergament, das warme, bernsteinfarbene Licht der Barinsteine,
ihre Schritte in der Stille. Doch als sie die Kammer betraten, in der das heimtückische Fenster einem Auge gleich in der Wand lauerte, wusste Bidayn, dass sie sich geirrt hatte. Überall war Blut. Blutstropfen auf dem Boden. Blut auf dem goldenen Rahmen des Fensters. Blut an der Decke des Raumes!
    Â»Sie war hier«, stellte Lyvianne nüchtern fest.
    Bidayn wollte zum Fenster, doch ihre Meisterin hielt sie zurück. »Nicht! Etwas hat sich verändert! Kannst du es nicht spüren? Halte dich fern von hier. Komm nie mehr hierher zurück.«
    Unsicher blickte Bidayn das Fenster an. Sie wagte es nicht, das Artefakt durch ihr Verborgenes Auge zu betrachten. »Gibt es … ein neues Stück … Glas?« Ihre Stimme war leise und brüchig. Ohne Kraft. Es war allein ihre Schuld, dass Nandalee zu dem Fenster gegangen war. Hätte sie der Freundin doch nie davon erzählt!
    Lyvianne wurde unruhig. »Ob es ein neues Stück Glas gibt? Ich weiß es nicht. Aber ich kann fühlen, dass sich das Fenster verändert hat. Und es ist unübersehbar, dass es von Nandalees Blut getrunken hat.«
    Ein leises Knirschen erklang.
    Â»Hinaus!«, befahl Lyvianne. »Es erwacht! Jetzt will es dich haben. Zwischen dir und dem, was hier geschah, gibt es eine Verbindung, nicht wahr?«
    Â»Ja«, flüsterte Bidayn. Mit einem lauten Schluchzen riss sie sich los und rannte – fort aus der Bibliothek, fort von dem schrecklichen Fenster und fort von dem Blut ihrer Freundin. Sie lief die ganze Morgenstrecke, ohne auch nur ein einziges Mal innezuhalten. Sie ist tot, dachte sie bei jedem Schritt. Nandalee ist tot. Und ich habe sie umgebracht.

Zweites Buch
DAS GRÜNE LICHT

    Lyvianne

E IN ZWEIFELHAFTES GESCHÄFT
    Nandalee blutete. Jede Faser ihres Leibes schmerzte und sie wusste nicht, wo sie war. Es war dunkel. Sie stand im Wasser und kämpfte gegen die Panik, die sie in ein orientierungsloses, schluchzendes Häufchen Elend verwandelte. Vor wenigen Augenblicken noch hatte sie in der Bibliothek gestanden und dann hatte sie das Gefühl gehabt, durch eine Wand aus Messern zu stürzen. Gepackt von etwas Fremdem, Körperlosem.
    Die Elfe schloss die Augen. Öffnete all ihre anderen Sinne. Es war schwül hier. Das Wasser, in dem sie stand, war nicht kalt und roch faulig. Es reichte ihr bis knapp über die Knie.
    Da war ein Tropfgeräusch. Blut aus ihren Wunden!
    Sie streckte beide Arme aus und tastete ins Dunkel. Ihre Linke berührte etwas. Nandalee zuckte zurück. Ihre Handfläche war ein einziger flammender Schmerz. Und die Hand war verändert! Sie hielt sie sich dicht vor das Gesicht, konnte aber noch immer nichts erkennen. Näher und näher führte sie die Hand an ihr Antlitz, bis sie mit den Fingerspitzen ihre Stirn berührte. Sie stöhnte auf vor Schmerz – und dann kam die Erinnerung an das Letzte, was sie gesehen hatte, bevor sie durch das Fenster gezogen wurde. Die abgehobelten Fingerkuppen!
    Nandalee wurde übel. Sie taumelte, rammte mit der Schulter gegen eine Wand und hielt inne. Sie durfte nicht aufgeben. Durfte sich nicht von Schmerz und Verzweiflung übermannen lassen!
    Vorsichtig tastete sie sich an der Wand entlang. Das hier war keine Höhle. Einmal glaubte sie Mauerfugen durch den Stoff ihres Ärmels zu spüren. Auch war der Boden, obwohl überflutet, sehr eben. Blut rann in ihr linkes Auge. Sie musste es immer wieder fortblinzeln. Nandalee fühlte sich schwach. Verblutete sie langsam? Sie wusste um den langsamen, schleichenden Tod durch Blutverlust. Als Jägerin hatte sie oft genug erlebt, wie sich ein Keiler
oder Hirsch noch meilenweit schleppte, ehe er zusammenbrach. War es nun an ihr, diesen Tod zu sterben? Ein neuer Geruch

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